SWR2 Wort zum Tag

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Beten, das ist etwas ganz intimes. Da sind Menschen mit sich und Gott allein. Die Fotografin Sandra Then hat mit ihrer Kamera diesen intimen Moment eingefangen. In Jerusalem, Rom, Istanbul und Japan hat sich Then ihr Bild von Betenden gemacht. Von Menschen, die sichtbar die Begegnung mit ihrem Gott suchen. Von Menschen, die in Kirchen, Tempeln und Moscheen ihren Glauben leben.

Die Photographin zeigt muslimische Frauen in Istanbul, die mit ihren Sommermänteln und Kopftüchern in der Moschee beten. Sie zeigt einen Mann mit Sonnenbrille, der in einer Kirche in Rom in sein Gebet versunken ist. Sie zeigt einen Juden, eine Kippa auf dem Kopf, der mit seiner Stirn an der Klagemauer in Jerusalem lehnt.

Die Bilder zeigen auch: Das Leben drumherum geht weiter. Auch für die Betenden. Da stehen neben den Frauen vollgepackte Plastiktüten mit Kleidern und Lebensmitteln. Und auch der hektische Alltag an der Klagemauer geht weiter. So zeigen die Gebets-Bilder von Sandra Then: Menschen treten für einen Augenblick aus dem Alltag heraus, nehmen sich eine Auszeit.

Thens Bilder zeigen eine besondere Seite von Religion. Heute wird Religion oft mit Blick auf Gewalt diskutiert. Gewalt gegen andere, gegen Andersgläubige, gegen Frauen. Aber auch Gewalt gegen Kirchen und Tempel. Thens Bilder nehmen einen anderen Aspekt von Religion in den Blick: Den Aspekt der Demut. Eine Haltung, die das Gebet kennzeichnet. Denn wer betet, der macht deutlich: Ich kann nicht alles allein machen, ich bin angewiesen – auf Gott. Ich bin eingebettet in einen größeren Zusammenhang. Beim Beten wird diese Haltung körperlich greifbar: Der Blick senkt sich nach unten, die Hände sind gefaltet, viele knien, machen sich klein. Beten zeigt: Ich suche nach jemandem, der mich begleitet, gerade auch in und durch schwierige Zeiten.

Im Beten entfernt sich der Mensch aus der Welt – und tritt zugleich als Mensch deutlicher hervor: Als ein Mensch, der um seine Schwächen weiß, der seine Ängste und Sorgen zulassen und aussprechen kann. Wer betet, das machen die Bilder von Sandra Then deutlich, macht sich verletzlich, zeigt sich intim – und so erst menschlich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22981
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