SWR2 Wort zum Tag

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Gestern hat eine ökumenische Pilgerfahrt nach Israel begonnen. Eine Woche lang sind die Spitzen der evangelischen und katholischen Kirche unterwegs – vom See Genezareth bis nach Jerusalem. Darunter sind Landesbischof Bedford-Strohm, Kardinal Marx und der ehemalige Freiburger Erzbischof Zollitsch. Der Anlass der Pilgerreise ist das große Reformationsjubiläum: 500 Jahre Reformation. Die Reformation hat die Kirche getrennt in evangelisch und katholisch. Aber jetzt soll deutlich werden, dass die beiden Kirchen heute mehr verbindet als spaltet. 

Ich kann mir nicht helfen, irgendwie erinnert mich diese Pilgerreise an den Kinofilm „St. Jacques – Pilgern auf Französisch“. In dieser Komödie geht es um drei zerstrittene Geschwister: die Lehrerin Clara, den Alkoholiker Claude und den Workoholic Pierre. Deren Mutter stirbt, und das stattliche Erbe soll an eine karitative Einrichtung fließen. Nur wenn die Geschwister zu Fuß den Jakobsweg nach Santiago di Compostela pilgern, dann erben sie das Geld. Das hat sich die Mutter ja fein ausgedacht. Aber der Trick funktioniert. Anfänglich streiten die Geschwister noch miteinander, oder es herrscht Funkstille. Aber je länger sie pilgern, desto mehr finden sie zueinander. Pilgern heilt, heißt es ja. Auch tiefe und alte Verwundungen. 

Am Ende des Films werden Clara, Claude und Pierre vom Erbverwalter auf ein weitläufiges Anwesen mit Herrenhaus geführt. Staunend stehen sie da und freuen sich. Und hinter einem Vorhang des Hauses steht eine alte Frau – es könnte die Mutter sein – und betrachtet zufrieden lächelnd, wie sich ihre Kinder wieder vertragen. 

Auch bei der ökumenischen Pilgerreise haben wir es mit zunächst zerstrittenen Geschwistern zu tun. Denn vor 500 Jahren ging es leider erst einmal sehr gewalttätig zu zwischen Protestanten und Katholiken. Bemerkenswert ist, dass Martin Luther nicht nur die evangelische Kirche geprägt hat, sondern auch die katholische. Ohne ihn hätte es die längst fälligen Neuerungen bestimmt nicht so schnell gegeben. Der ökumenische Pilgerweg dauert jetzt also schon 500 Jahre – und das – genau wie im Kinofilm St. Jacques - auch inklusive Streitereien und Funkstille. Aber heute sind die beiden Kirchen so gut in Kontakt, dass sich viele fragen, warum es überhaupt noch zwei getrennte Konfessionen gibt. 

Wenn ich im Bild des Kinofilms bleibe, dann frage ich mich, wer die Mutter ist im ökumenischen Miteinander. Diejenige, die gemeinsame Aktivitäten wie die aktuelle Pilgerreise inspiriert. Und die am Ende vielleicht auch zufrieden lächelnd die Szenerie von oben betrachtet. Dann – aber das ist Zukunftsmusik - wenn vielleicht alle wieder vereint sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22955
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