SWR3 Gedanken

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Manchmal braucht man dringend einen Menschen zum Reden. Manchmal ist aber gerade keiner da, mit dem man reden kann. Ist nicht nur bei uns so. Ist auch in Japan so. Deshalb hat Takanobu Nishimoto aus Tokio eine Idee. Er vermietet Zuhörer. 

Für umgerechnet neun Euro pro Stunde kann man einen so genannten „Ossan“ buchen, der sich alles anhört, was man auf dem Herzen hat: Liebeskummer, Probleme bei der Arbeit, allgemeine Sinnkrisen. Der Ossan hört zu, kommentiert, ist einfach da. 

Mittlerweile hat Takanobu Nishimoto einen wachsenden Kundenkreis. Offensichtlich sind viele Menschen froh über einen, der ihnen zuhört. Und für neun Euro die Stunde ist das ja auch noch ein ziemliches Schnäppchen. Wäre doch auch eine Geschäftsidee für unsere Breitengrade, oder? 

Tja, eigentlich gibt es das bei uns schon längst. Immer wieder klingeln Menschen an den Türen von Pfarrhäusern, weil dort ein Ossan sitzt, der sich Pfarrer nennt. Der zuhört und wegen des Beichtgeheimnisses auch alles für sich behalten muss. Manche melden sich bei Beratungsstellen, weil dort jemand sitzt, der ihnen weiterhilft. Oder sie rufen bei der Telefonseelsorge an, weil dort Tag und Nacht jemand ein offenes Ohr für ihre Nöte und Sorgen hat. 

Mag sein, dass die Japaner in manchen Dingen weiter sind als wir. Was das Zuhören angeht, sicherlich nicht. Wer hierzulande Ohren braucht, kann jederzeit welche finden. Und noch dazu allesamt zum Nulltarif.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22922
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