SWR4 Abendgedanken

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„Gott weiß ganz genau, was ich brauche.“ Als ich die biblische Geschichte von Elia und den Raben als Kind das erste Mal gehört habe, da hat sie mich gepackt.

Die Geschichte geht so:
Weil eine große Trockenheit das Land betroffen hat und der Prophet Elia sich außerdem noch vor dem König verstecken muss, deshalb zieht er sich in ein unwegsames Tal zurück. Dort ist es genauso trocken wie überall und Elia müsste verhungern und verdursten, würde nicht tatsächlich von einigen Raben sein Essen eingeflogen. Gott schickt sie. Einmal morgens und einmal abends fliegen sie ein und bringen, was er braucht.
Besonders abwechslungsreich ist das Essen nicht: Es gibt Fleisch und Wasser, das Fast Food der damaligen Zeit. Aber es reicht zum Überleben.

„Gott weiß ganz genau, was ich brauche!“ Das hat mich schon als Kind fasziniert. Das ist eine phantastische Geschichte, sie ist wundersam wie ein Märchen, sie ist dramatisch wie eine Abenteuergeschichte. Als Kind hat sie mich getröstet, weil ich mir manchmal auch recht einsam vorgekommen bin. „Gott weiß genau, was ich brauche.“ Das hat mich beruhigt. Elia, alleine in seinem Tal, versteckt und verborgen, hat er schließlich auch nicht allein gelassen..

Mit den Jahren ist mir die Geschichte noch lieber geworden. Aber nicht wegen Elia. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es da noch eine Möglichkeit gibt, sich wiederzufinden.
Heute wäre ich gern so ein Rabe. Jemand, der von Gott geschickt wird - zu einem anderen, der einsam und versteckt ist und hungrig und durstig.
Wenn es geht, fliege ich bei ihm ein. Ein kurzer Besuch. Ein Treffen, zu dem ich gehe. Ein Stammtisch, bei dem ich aufkreuze. Ich helfe beim Renovieren oder bei einem Umzug. Ich werfe 2 Euro in den Pappbecher des Bettlers.

Ich gebe etwas, das dem anderen das Leben möglich macht. Und dann – dann mache mich wieder davon. Ich will nicht sein Leben leben. Ich teile es vielleicht nicht einmal. Ich bringe nur was vorbei, weil es hilft. Und dann gehe ich wieder.
Wenn ich noch etwas abzugeben habe, komme ich wieder. Fast Food, vielleicht. Das hält nicht lange vor. Aber es hilft für den Moment.
Und vielleicht erkennt der andere: „Gott weiß ganz genau, was ich brauche.“ Was für eine Geschichte!

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