SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Am Gemüsestand habe ich Danke-Sagen gelernt. Bei den Karotten. Von meiner Mutter. Den beim samstäglichen Einkauf habe ich immer eine Karotte geschenkt bekommen. Und ich habe jedes Mal gleich hineingebissen.

Manchmal ist mir der Bissen im Halse steckengeblieben. „Wie sagt man?“ Jedes Mal hat das meine Mutter gesagt, egal ob ich schon „Danke“ gesagt hatte oder nicht.

„Wie sagt man?“ Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Leben diese Frage meiner Mutter gehört habe. Nicht nur am Gemüsestand, sondern auch zu vielen anderen Gelegenheiten auch. Und immer habe ich brav geantwortet: „Danke!“

Als Kind ist mir das ziemlich auf die Nerven gegangen. Mittlerweile aber bin ich meiner Mutter im wahrsten Sinne des Wortes: Dankbar. Denn durch ihre Frage habe ich gelernt, dass es wichtig ist, dann und wann auch mal Danke zu sagen. Und heute sage ich zu meinen Kindern: „Wie sagt man?“ Und freue mich, wenn sie „Danke“ sagen.

Am Sonntag sagen Christen Danke, wenn sie das Erntedankfest feiern. Dabei geht es nicht nur darum, Gott für Äpfel, Trauben oder Getreide zu danken. Es geht um mehr. Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass so vieles eben nicht selbstverständlich ist. Danke – das ist nicht nur ein Wort. Danke - das ist vor allem eine Lebenseinstellung. Daran erinnert mich das Erntedankfest.

Ich glaube, dass ich mein ganzes Leben lang von Gott beschenkt werde. Mit Essen und Trinken natürlich, aber auch mit Familie, Freunden, einer Arbeitsstelle, Gesundheit – nichts davon ist selbstverständlich. Am allerwenigsten das Leben selbst. Das ist das allergrößte Geschenk. Und es gilt wie bei allen Geschenken: Wenn ich „Danke“ sage, dann drücke ich damit meine Freude aus. Und zeige: Ja, ich werde beschenkt. Ich bin beschenkt. Man hat an mich gedacht. Mir eine Freude gemacht. Und wenn ich dann wirklich freundlich mich bedanke, dann freut sich auch derjenige, der mich beschenkt. „Danke“ ist auch immer eine Rückmeldung: Ich freue mich, dass Du an mich denkst.

Ich hoffe, dass am Sonntag auch Karotten auf dem Altar liegen. Dann werde ich an meine Mutter denken und an ihre Frage: „Wie sagt man?“ Und dann werde ich sagen: Danke, Gott!

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