SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Was ist an unserem Land anders als in ihrer Heimat?“ Ein Kollege hat diese Frage auf einer Tagung gestellt. Ein Gast aus dem europäischen Ausland war der so Angesprochene. Auf die Antwort war ich natürlich auch gespannt. „Ich muss aufpassen!“ – so hat der Gefragte ganz vorsichtig begonnen. „Ich bin ja zu Besuch hier.“ Aber dann spricht er doch weiter. „Was mir am meisten auffällt, das ist eure große Sehnsucht nach Einheitlichkeit. Alles, was es bei euch gibt, soll möglichst nach einem einheitlichen Muster funktionieren. Schule, Beruf, Vereine. Für alles habt ihr eure rechtlichen Regelungen. Da ist kein Platz für Ausnahmen. Da, wo ich herkomme, habe ich gelernt, damit zu leben, dass nicht alles nach demselben Schema vor sich gehen muss.“

Auch wenn ich mich zuerst wehren will – womöglich ist da doch schon einiges Wahre dran. Wie in einem Spiegel, der mir vorgehalten wird.  Wenn ich die aktuellen Debatten zu den Flüchtlingen in unserem Land recht wahrnehme, wird mir klar: Unsere einheitlichen Regelungen helfen oft nicht mehr wirklich weiter. Wir lernen als Gesellschaft gerade erst sehr mühsam, dass eine Regelung, die in einem Fall hilfreich ist, im anderen nichts mehr taugt. Weil da Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebenskonzepten zusammenleben. Mit unterschiedlichen Werten. In getrennten Welten,

Mich beunruhigt das. Wenn ich nur noch in meiner eigenen Welt lebe, wirkt alles andere schnell bedrohlich. Dann bin ich fast überall nur noch vom Unbekannten und Fremden umgeben.

Es gibt dazu einen Gedanken in der Bibel, den finde ich richtig spannend. Da wählt Jesus für sich das Bild des Hirten. Für eine vertraute Gruppe von Schafen ist er zuständig. Weiter erzählt Jesus: „Ich habe noch andere Schafe. Die sind nicht aus diesem Stall. Für die fühle ich mich auch verantwortlich.“ (Johannes 10,16) Diese Aufforderung, auch nach den fremden Schafen zu schauen,  bringt mich zum Nachdenken. Das sollte der Normalfall sein. Kein System der Einheitlichkeit. Fremde, die dazugehören. Die, die nicht aus meinem Stall sind, das sind oft die interessantesten Schafe. Von ihnen kann ich am meisten lernen. Und selbst wenn sie mir fremd bleiben – sie gehören dazu.
Es lohnt sich also schon, wenn wir uns von ab und zu von Fremden einen Spiegel vor Augen halten lasse.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22843
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