SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Selbstmord“ ist ein schreckliches Wort –
erst recht so früh am Tag.
Manche sagen da lieber „Freitod“ – aber ich glaube,
dass dieses Wort nicht stimmt.
Denn wer sich selber das Leben nimmt,
tut das nicht freiwillig, sondern unter Druck oder gar gezwungen.
Deutlich wird das bei Uwe Barschel.
Genau heute vor zehn Jahren hat sich der ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein das Leben genommen.
Man fand ihn tot in der Badewanne liegend.
Mord war es nicht, stellte die Polizei fest;
aber war es ein „Freitod“?
Uwe Barschel war sicher nicht frei.
Er hatte sich verfangen in einem Netz von politischen Vorwürfen, persönlichen Lügen und privaten Geldgeschäften.
Aus diesem Netz sah er offensichtlich keinen Ausweg mehr.
Und anscheinend sah er auch keine Chance,
dass ihm irgend ein Mensch sonst sein Leben hätte retten können.
Darum brachte er sich selber ums Leben.
Kann man das „Freitod“ nennen?
Ich finde nicht, denn es geschah eben nicht freiwillig,
sondern war der letzte Schritt in einer Sackgasse.
Ähnlich sehe ich das auch bei Menschen,
die wegen einer schlimmen Krankheit oder großer Einsamkeit
ihr Leben beenden:
Die tun das doch auch nicht freiwillig,
sondern weil sie keine andere Möglichkeit mehr sehen als den Tod.
„Selbstmord“ ist dabei allerdings auch das falsche Wort,
denn mit Mord verbindet sich Böswilligkeit und Heimtücke.
Und darum geht es ja nun wirklich nicht,
sondern viel mehr geht es um Abschied von Hoffnung;
es geht um verlorenen Sinn;
und meistens geht es auch um Angst vor der Zukunft.
„Freitod“ und „Selbstmord“ – beide Wörter passen mir nicht,
aber ich weiß auch kein besseres. Weil das anscheinend etwas ist, das bei uns, die zurückbleiben, die Sprache verschlägt.
Mich tröstet dabei nur der Glaube,
dass alle Toten bei Gott gut aufgehoben sind.
Weil Gott auch dort noch Sinn stiftet, wo wir nur Sinnlosigkeit sehen.
Und das gilt nicht nur für die Toten, sondern auch für uns Lebende.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2280
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