SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Mein Joggingpartner beklagt, dass die Menschen immer unfreundlicher werden. Erstaunlicherweise findet er aber nicht, dass es die Jugend ist, die sich über die Regeln der Höflichkeit hinwegsetzt. Er meint, dass ihm vor allem ältere Menschen muffig begegnen. Mein Joggingpartner vermutet, dass die Leute unzufrieden mit ihrem Leben sind. Die Kinder melden sich zu selten, man fragt sich, ob man vor fünfzig Jahren nicht doch besser jemand anders hätte heiraten sollen oder warum man das ganze Leben der Firma geopfert hat. Diesen Frust, so findet mein Joggingpartner, lassen die Menschen dann an ihren Mitmenschen aus.

Ich hoffe einmal, dass sein Urteil doch etwas zu pauschal ist. Ich kenne viele nette ältere Leute. Außerdem: Ich wäre wahrscheinlich erst einmal auch missgelaunt, wenn der Rückblick auf mein Leben scheinbar nur Defizite aufzeigen würde. Jeder wünscht es sich anders. Keine Frage: Ich möchte am Ende meines Lebens am liebsten mit mildem Blick auf die große Schar meiner spielenden Enkel blicken während mein Sohn mir eine Weinschorle kredenzt und mein Mann mir die Dankschreiben meiner alten Kirchengemeinde vorliest. Mit ziemlicher Sicherheit wird sich das nicht ganz so realisieren. Bei den wenigsten Menschen läuft alles perfekt. Oder wie mein Sohn immer sagt: Das Leben ist kein Ponyhof.

Trotzdem meine ich: Unfreundlich zu sein ist nie die beste Lösung. Es ändert nicht das Unglück, es macht es schlimmer, jedenfalls ist das meine eigene Erfahrung. Auch wenn es erst einmal anstrengend klingt: Es ist nie zu spät für ein Lächeln. Und nie zu spät, mit einem Lächeln dem Rad des Unglücks in die Speichen zu greifen. Mag sein, es ist an manchen Tagen ziemlich schwierig, einen Grund für gute Laune zu finden. Manchmal fällt sogar ein kleines Schmunzeln schwer.

Aber ich habe gemerkt: Wer sucht, der findet auch einen Sonnenstrahl im eigenen Leben! Ein alter Jesuitenpater hat mir eine sehr schöne geistliche Übung gezeigt, die weiterhilft, wenn es hart wird. Sie funktioniert übrigens auch an schönen Tagen und geht so: Überlege, wann Gott dich an diesem Tag angelächelt hat. Wenn du die entsprechende Situation gefunden hast: Lächele zurück. Wer nicht an Gott glaubt, kann sich ja überlegen, wann es das Schicksal mit ihm oder ihr an diesem Tag gut gemeint hat. Wichtig ist jedenfalls das Zurücklächeln. Man darf übrigens auch anderen Menschen dieses Lächeln schenken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22772
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