SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Welches Bild nehmen Sie mit aus diesem Sommer? Was lohnt sich, beherzigt zu werden? Be-herz-igt, weil es Ihnen das Herz gewärmt, berührt, aufgewühlt, vielleicht auch gebildet hat? Wenn Sie das Bild beim Zurückblicken wiederfinden. Und es sich einschreiben.

Ich habe drei Bilder im Sinn und hoffe, sie bleiben mir noch eine Weile. Zwei davon gehören in die Kategorie: ‚Schon bekannt‘. Das dritte ist anders. Wie gesagt, zwei habe ich schon ähnlich so gesehen, aber es ist immer wieder gut, sie aufzufrischen. Darum geh ich an keiner gotischen Kathedrale vorbei. Diesen Raumhimmel über mir erleben. Das Licht sehen. Zumal wenn es in Fenstern gestaltet ist. Und wieder glauben: Alles sichtbare Licht weist darauf hin, dass die Welt durchdrungen ist vom unsichtbaren Licht Gottes.

Mein zweites Bild: Stundenlang im Strandkorb. Das Meer, die Weite des Himmels und spüren wie die Unruhe geht. Im Alltag unterliege ich ja manchmal dem Glauben, diese Unruhe wäre es, die beweist, dass wir wichtig und lebendig sind. Wie unsinnig. Oft beweist die Unruhe nur, wie getrieben ich bin. Wie anders fühlt sich Lebendigkeit an, wenn nach ein paar Stunden – wie bei mir im Strandkorb – keine Unruhe mehr treibt. Wenn ich erlebe, wie viel Kraft mir zufließt, wenn ich zulassen kann, wirklich ruhig und in Muße zu sein.

Mein drittes Bild dieses Sommers stammt auch aus dem Urlaub, aber ist ziemlich anders: Ich bin mit dem Auto unterwegs in eine Stadt. An einer roten Ampel kreuzt ein erstaunliches Paar meinen Weg: Zwei Männer, beide gehandicapt. Der eine sitzt im Rollstuhl. Der zweite schiebt ihn. Erwachsene Männer. An die 40 vielleicht. Der, der schiebt, ist kleinwüchsig. Er muss sich anstrengen, den Rollstuhl mit seinem Kumpel zu schieben. Aber die beiden sind gut drauf.

Im Lauf der nächsten Stunden haben sich unsere Wege noch zwei Mal gekreuzt. Zuerst in einem Café. Die beiden gönnen sich ein Bier. Und bei einem bleibt es nicht. Sie haben hörbar Spaß.

Zwei Stunden später die dritte Begegnung: Sie sind wieder unterwegs. Der Kleine schiebt den Freund, immer noch angestrengt, aber auch gut drauf und heiter sind die beiden.

Dieses Bild hat nichts Erhabenes. Weder die Größe einer Kathedrale, noch die Ruhe des Meeres. Und trotzdem ist es mir tröstlich gerade in seiner Alltäglichkeit: Wie beide mit den Handicaps, die ihr Leben begrenzen, dem Tag einen heiteren Stempel aufgedrückt haben. Nichts an ihren war perfekt, außer vielleicht, dass sie anscheinend wissen, so geht Freundschaft.

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