SWR2 Wort zum Tag

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„Ich habe keinen Glauben .... Wenn ich versuche, meine Gedanken zum Himmel zu erheben, erlebe ich eine solch überzeugende Leere, dass diese Gedanken wir scharfe Messer zurückkehren und meine innerste Seele verletzen ... Man erzählt mir, dass Gott mich liebt, jedoch ist die Realität von Dunkelheit, Kälte und Leere so überwältigend, dass nichts meine Seele berührt.“
Es ist Mutter Teresa, die immer wieder und über Jahrzehnte so flehentlich darum bittet: Dass Gott doch die Dunkelheit, diesen tiefsten Glaubenszweifel von ihrer Seele nehmen möge, wenigstens für ein paar Tage.
Schonungslos spricht die charismatische Ordensgründerin von den „Nachtstunden des Glaubens“ - in ihren gerade veröffentlichten privaten Notizen und vertraulichen Briefwechseln.
Diese Veröffentlichung zum zehnten Todestag rief ein gewaltiges Medienecho hervor – das war nicht anders zu erwarten.
Denn wer hat ausgerechnet sie in solchen Stunden, in solcher Stimmung vermutet! Mutter Teresa, die von Gläubigen wie Nichtgläubigen, Christen wie Nichtchristen als „das Gewissen des 20. Jahrhunderts“ verehrt wurde; sie, die in Rekordzeit von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen wurde? Ihr einfacher Glaube, ihre unmittelbare Jesusfrömmigkeit, die umstandslose Spiritualität haben viele bewundert. Er hat aber auch provoziert: Dieser Glaube, der scheinbar von keinem Zweifel getrübt war.

Das Bekenntnis zur „Nacht ihres Glaubens“ macht Mutter Teresa zu einer sympathischeren Heiligen – eine Heilige unserer Tage: Auch ihr sind Zweifel und Verunsicherung nicht fremd. Hat sie, die radikal Glaubende nicht nur viel radikaler erfahren, was doch auch ich so gut kenne? Dass ich mich um meinen Glauben redlich mühe und doch diese Spannung aushalten muss, zwischen Vertrauen und Zweifel, Gewissheit und Skepsis.
Mutter Teresa steht mit dieser so schmerzvoll erfahrenen „Dunkelheit im Innern“ in einer langen Tradition: mit Johannes vom Kreuz, Theresa von Avila oder auch der großen Mystikerin der Neuzeit, Therese von Lisieux. Sie alle haben diese Dunkelheits-Erfahrungen gekannt.
Eine Kirche aber, die sich als Gemeinschaft solcher Heiliger versteht, bleibt offen und sensibel: Für die, die in ihrem Glauben zweifeln, für die, die sich wünschen zu glauben und nicht mehr glauben können und auch für die, die nicht glauben, ohne es zu merken. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2270
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