SWR3 Gedanken

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Jannick ist Polizist in Ausbildung. Er hat es geschafft, denn eine Ausbildungsstelle bei der Polizei, das war sein Traum. Jannick ist mein Patenkind und immer, wenn er zu Besuch kommt, erzählt er, was er gerade so macht. Ganz schön spannend, vor allem, weil er vieles das erste Mal erlebt. Zum ersten Mal beim Schießtraining, zum ersten Mal mit echtem Blaulicht mitfahren und leider auch: zum ersten Toten dazukommen.

Jannick hat davor noch keinen Toten „in echt“ gesehen. Aber in der Frühschicht vor zwei Wochen war es dann soweit. Sein Ausbilder und er wurden an die Bahngleise gerufen. Als er mir davon erzählt hat, hat er gesagt: „Es war komisch. Ich glaub, ich hab es nicht richtig kapiert. Es sah aus wie eine Puppe.“ Dass er so reagiert hat, kann ich verstehen. Jannick weiß eigentlich, dass es keine Puppe ist, die da vor ihm liegt, aber trotzdem stellt er sich das ein bisschen so vor. Es ist wie ein Schutz und bestimmt ist es auch erstmal gut so – zumindest für den Anfang.

Ich wünsche Jannick, dass er lernt mit solchen Situationen umzugehen. Irgendwann, vielleicht in zwei, drei Jahren, wenn er wieder mal zu einem Toten gerufen wird, wird ihm vielleicht schlagartig bewusst, was er da sieht: den leblosen Körper eines Menschen, einen Leichnam. Das ist schon etwas Besonderes und das kann einem ganz schön nahe gehen.

Manchmal bleiben einem richtig heftige Bilder im Kopf, wenn man einen Toten gesehen hat - egal ob als Polizist oder als Familienangehöriger. Mir haben da zwei Sachen geholfen, dass ich die belastenden Bilder wieder losbekommen habe: jemanden zum Reden und Zeit. Wenn ich erzählen konnte und in Ruhe nachdenken konnte, hab ich sogar noch etwas richtig Ermutigendes aus der Sache gezogen. Ich empfinde Respekt vor dem Verstorbenen und seiner Geschichte. Und: Ich lebe wieder bewusster.

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