SWR2 Wort zum Tag

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Er war kein Theologe,  kein Kirchenmann,  weder Prediger noch Religionsfachmann. Und doch gehört er zu den großen Glaubenslehrern unserer Zeit, und das 55 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod erst recht und mit Zukunft. Ich spreche von dem UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld. Sein Tagebuch dokumentiert die innere Entdeckungsreise zu Gott und zu  sich selbst, überraschend aktuell und höchst inspirierend. Hammarskjöld, der hochbegabte Überflieger, hatte sein Leben lang daran zu arbeiten, wirklich der zu werden, der er ist. Immer mit besten Noten und in Spitzenstellungen, kannte er die Versuchung, hochmütig auf andere  herabzublicken. Gewissenhaft wie er war und hoch reflektiert, spürte er dann umso mehr Selbstverachtung und Scham über sich selbst.  Zwischen Grandiosität und Depression musste er seine Lebensgestalt erst finden, und darin sah er das Wirken Gottes. Mit einem altmodischen Begriff nannte Hammarskjöld diese Befreiung aus dem Spagat zwischen Selbstüberheblichkeit und Selbstabwertung Demut. Wörtlich: „Demut heißt, sich nicht vergleichen. In seiner Wirklichkeit ruhend ist das Ich weder besser noch schlechter, weder größer noch kleiner als Anderes und Andere, es ist nichts, aber gleichzeitig eins mit allem.“

Das ist typisch christliche Mystik. Sich ganz als Geschöpf Gottes begreifen zu dürfen,  sich ganz aus der Hand Gottes zu empfangen und sich seinem Wirken zu verdanken  - das macht frei. Ich finde das eine höchst praktische und aktuelle Perspektive. Wie oft ertappe ich mich dabei, mich mit anderen zu vergleichen und zu werten! Wie oft über-  oder unterschätze ich andere, und sehe mich beim  inneren Gerichtshof angestellt!. Hammarskjöld kennt das, aber irgendwann in seiner Lebensmitte muss es eine Umkehr gegeben haben. Der UNO-Generalsekretär nämlich ist  jetzt von einer demütigen Selbstgewissheit, nicht hochnäsig und aufgeblasen, nicht duckmäuserisch und konfliktscheu – er ruht so in sich und wirkt deshalb kompromissbereit und unbestechlich, und kann vieles bewirken. Wörtlich: „In der Selbstvernichtigung der Demut nichts zu sein und doch in der Kraft der Aufgaben ganz ihr Gewicht und ihre Autorität zu verkörpern, ist die Lebenshaltung des Berufenen. Wo Menschen, Werk, Gedicht und Kunst geben, was das Ich dabei vermittelt, und, einfach und frei, entgegennehmen, was ihm zukommt an Kraft der inneren Identität. Lob und Tadel, die Winde von Erfolg und Misserfolg blasen spurlos über dieses Leben hinweg und ohne sein Gleichgewicht zu erschüttern. Dazu hilf mir, Herr“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22635
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