SWR2 Wort zum Tag

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Selfies gehören inzwischen zum Alltag. Es ist offenkundig eine Lust, sich selbst zu photographieren, mit anderen Leuten oder in interessanten Szenen. Dag Hammarskjöld, der große UNO-Generalsekretär, hat eine ganze Galerie von Selfies hinterlassen. Sein Tagebuch ist ein Netzwerk von Momentaufnahmen aus seinem inneren Leben, es dokumentiert das Abenteuer der Selbstwerdung in einem tief spirituellen Sinn. Da wird nachvollziehbar, wie ein Christenmensch immer genauer der werden will, der er sein soll.  

Im August 1955 lautet ein Tagebucheintrag so: „Einfachheit heißt, die Wirklichkeit nicht in Beziehung auf uns zu erleben, sondern in ihrer heiligen Unabhängigkeit. Einfachheit heißt sehen, urteilen und handeln von dem Punkt her, in welchem wir in uns selber ruhen. Wie vieles fällt da weg! Und wie fällt alles andere in die richtige Lage!“. Kritisiert wird also eine Haltung, in der wir alles  egoistisch nur auf uns beziehen und immer nur das Eine im Kopf haben, uns selbst. Nach Hammarskjöld wird dadurch das Leben kompliziert. Einfachheit heißt, sich kreativ zurück zu nehmen und offen zu werden dafür, dass Andere sind und Anderes. Von „heiliger Unabhängigkeit“  ist die Rede –  von innerer Freiheit und jener Selbstlosigkeit, die in Gottes Gegenwart gründet. Nicht das Ego steht im Mittelpunkt, sondern jener Punkt,  „in welchem wir in uns selber ruhen“, also ohne Angst und Zwang, sich in den Vordergrund spielen oder wegdrücken zu müssen. Hammarskjöld  weiter: „Im Zentrum unseres Wesens ruhend, begegnen wir einer Welt, in der alles auf gleiche Art in sich ruht. Dadurch wird der Baum zu einem Mysterium, die Wolke zu einer Offenbarung, und der Mensch zu einem Kosmos, dessen Reichtum wir nur in Bruchteilen erfassen. Für den Einfaches ist das Leben einfach, aber es öffnet ein Buch, in welchem wir nie über die ersten Buchstaben hinauskommen.“ Solche Art Diamant-Sätze finden sich viele in Hammarskjölds Selfie-Galerie.  Als Gottes Geschöpfe können wir demnach  uns  selbst und andere, im doppelten Wortsinn, wirklich s e i n lassen, in heiliger Unabhängigkeit, staunend, dankbar und neugierig.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22634
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