SWR2 Wort zum Tag

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Wie geht es den Menschen, die vor 4 Wochen im Fokus der Nachrichten waren? Wie leben sie mit dem, was sie erlebt haben? Wofür sich so viele interessiert haben.

Ich war heute vor 4 Wochen - wie Sie vermutlich auch - geschockt vom Amoklauf in München. Nach und nach hat sich abgezeichnet, dass es kein terroristischer Anschlag war. Aber erst spät gab es nicht mehr nur die immer gleichen Bilder vom Täter, angeblich sprachlosen Reportern, Experten und Politikern. Erst spät sind die vor allem jungen Menschen in den Blick gekommen, deren Leben so jäh zu Ende war. Und ihre Angehorigen und Freunde: Ein Vater hat das Bild seines Sohnes gezeigt. Ein Bruder hat von seiner Schwester erzählt. Die man ihm genommen hat. Ich erinnere mich vor allem an deren Augen: Dunkle, sehr wache, erstaunlich ernste für eine 14jährige. Und voller Erwartung aufs Leben.

Ich habe mir vorgenommen, mich an diese Menschen zu erinnern. Und dabei einen Satz zu beherzigen, den ich ein paar Tage später gehört habe: "Der Täter ist kein Held. Helden sind Menschen, die mit der Tat umgehen müssen."

Gerade aus christlicher Sicht ist diese Umwertung richtig, finde ich. Auch für die mediale Berichterstattung. Das zentrale Ereignis des Christentums erzählt doch: Die Hauptperson der Kreuzigung Jesu sind nicht die Täter. Jesus und die Menschen, die um ihn trauern, für die interessiert sich der biblische Bericht. Und Gott interessiert sich, dass die Opfer wieder leben können.

Helden sind die Menschen, die mit einer Untat umgehen müssen. Ein Psychologe hat so aufmerksam gemacht, was für ihn falsch war an der medialen Berichterstattung über den Amoklauf und Gewalttaten insgesamt: Es geht zu sehr um die Täter. Bei denen, die berichten und bei uns, die zuschauen. Wir sind in der Gefahr, uns in den Täterbann ziehen zu lassen.

Gut wäre, das Interesse zu wenden. Nicht immer die Täter die Hauptpersonen sein lassen, die „Helden“ gewissermaßen, die aktiven Subjekte.

Ihre scheinbaren Objekte, Opfer, Trauernde, sind es. Reagierende Politiker und Zuschauer. Wir sind Subjekte, die aktiv werden sollten.

Darum möchte ich diesen Satz beherzigen für die Zukunft: „Der Täter ist kein Held. Helden sind Menschen, die mit der Tat umgehen müssen."

Die Angehörigen zB. Wie geht es ihnen heute? Den Vätern, Müttern, Geschwistern? Aber auch den Eltern des Mörders. Vermutlich spüren sie, wie viel Tapferkeit vonnöten ist, nicht für immer „Opfer“ dieser Untat zu bleiben. Ich hoffe, dass andere ihnen dabei helfen und sich für sie interessieren. Die mit einer Untat leben müssen: Die sind Helden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22613
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