SWR2 Wort zum Tag

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Köln ist wieder einmal eine Reise wert. Jüngste Attraktion: Das neue Fenster im Kölner Dom. Nicht irgendein Fenster. Nein, es ist ein Fenster an einem prominenten Ort. Im Südquerhaus des Kölner Doms. Der Fensterentwurf stammt von Gerhard Richter, dem wohl bedeutendsten deutschen Künstler der Gegenwart. Zu sehen sind in dem riesigen Fenster über elftausend Farbquadrate in 72 unterschiedlichen Farben. Und ein gerade in religiöser Hinsicht spannendes Fenster ist daraus geworden.
Ein paar Meditationsvorschläge.
Die Bibel setzt in ihrer Schöpfungsgeschichte einen wahrhaft blendenden Auftakt. Der erste Schöpfungsakt: Gott schafft das Licht. Wie ein Kommentar dazu lässt sich das Richter-Fenster sehen. Es zeigt, was alles mit und aus Licht möglich ist. Was zufälliges Licht an faszinierenden Einsichten erlaubt. Lässt Welt erst richtig und neu sehen.
Richters Fenster erzählt so von Licht und Farbe, von Schöpfung und Zufall. Doch eins macht es nicht: es liefert kein Bild Gottes. Ganz pointiert illustriert der Glaskünstler so auch das Bilderverbot aus den Zehn Geboten. Dort heißt es: „Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen. Mach dir überhaupt kein Abbild von irgendetwas im Himmel, auf der Erde oder im Meer.“ (Exodus 20). Gott, das erzählt auch die Bibel immer wieder, erscheint im Feuer, im Gewitter, im Säuseln des Windes, erscheint als strahlendes Licht – Gott zeigt sich nicht direkt. Richter illustriert das – und er erinnert daran, wie unzulänglich alle unsere Gottesbilder sind.
Richters Fenster erinnert aber auch an das Testbild, das man früher im Fernsehen sehen konnte. Wenn keine Sendungen mehr ausgestrahlt wurden. Mit dem Testbild ließt sich die Einstellung des Fernsehers überprüfen. Und wenn ich das neue Fenster ansehe, dann bin ich versucht, meine Einstellung zu justieren. Was empfange ich an Eindrücken? Wie sehe ich die Bilder der Welt? Was kann ich sehen – auch nach Sendeschluss? Und: muss ich mich neu ausrichten? Meine Antennen wieder auf Empfang stellen?
Schließlich liegt noch eine Assoziation nahe, wenn man das neue Fenster im Kölner Dom betrachtet. Die Assoziation zu digitalen Bildern. Bei digitalen Fotos, deren Auflösung nicht besonderes groß ist, tritt ein Rastereffekt auf. Hier erscheint dann das Bild, wenn man es vergrößert, in kleine Quadrate zerlegt. Das Kölner Domfenster lässt sich auch als ein solches Rasterbild verstehen. Und es erzählt so von der Unschärfe in der eigenen Wahrnehmung. Ist da, was ich sehe, wirklich? Oder blicke ich die Welt vielleicht viel zu grobkörnig an?
Das neue Fenster im Kölner Dom ist kein traditionell christliches Bild. Aber ich erfahre: Es bringt mich neu mit meinem Glauben und meinen Fragen ins Gespräch.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2254
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