SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Manchmal bin ich einfach nur sprachlos, wenn ich sehe, was auf unserer Welt alles so passiert. Sprachlos über manche Schicksale, die ich in meinem Umfeld miterlebe. Gerade wieder eine junge Frau – Diagnose Krebs. Ich bin sprachlos über Gewalt und Terror in den letzten Wochen. Sprachlos über vieles was in Europa gerade schief läuft. Da fällt mir manchmal wirklich kein Wort mehr dazu ein.

In diesen Momenten bin ich dann froh, dass ich die Worte nicht immer selber finden muss. Ich kann mir dann sozusagen eine Sprache leihen. Wörter leihen, die dann vielleicht trösten können. Oder zumindest zeigen können, dass es weitergeht.

Diese Sprache finde ich dann z.B. in den Gebeten und Liedern der Bibel.
Das wahrscheinlich bekannteste Gebet fängt so an: „Vater unser im Himmel …“[1]
Es ist ein Gebet, in dem ganz viel Vertrauen steckt. Es ist das Gebet eines Kindes zu seinem Vater. Zu einem Vater im allerbesten Sinn. Der für seine Kinder alles tun würde.

Ein bisschen später heißt es in dem Gebet dann: „Erlöse uns von dem Bösen“. Das wünsche ich mir wirklich. Das wünsche ich allen kranken Menschen. Dass sie nicht leiden müssen und Hoffnung haben. Dass Kriege, Gewalt und der Terror irgendwann aufhören. Vor allem, dass es nicht immer schlimmer und schlimmer wird.

Da heißt es aber auch: „vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern…“. Wie viel Schuld trage ich mit mir herum? Wie viel von all den Problemen haben Menschen selber mit verschuldet? Weil sie machthungrig waren. Oder gierig auf noch ein bisschen mehr Profit.
In dem Gebet heißt es aber auch: „Dein Wille geschehe …“

Ich bin nicht bereit aufzugeben. Ich will den Mut und vor allem die Hoffnung nicht verlieren, dass es auch anders gehen kann. Dass es wieder bessere Zeiten geben wird. Deshalb orientiere ich mich an Gott. Weil ich glaube, dass er es gut mit mir und den Menschen meint.

Deshalb bin ich froh, dass ich mir die Worte aus dem Vaterunser leihen kann, wenn ich selber keine mehr habe. Weil ich nicht sprachlos bleiben will. Denn, wenn alle sprachlos sind, dann sagt keiner mehr was.



[1] Matthäus 6,9.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22469
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