Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Papst Franziskus predigt seiner Kirche unermüdlich Barmherzigkeit. Sie soll eine Oase der Barmherzigkeit sein, sie soll das Image einer barmherzigen Mutter haben und nicht einer strengen Richterin.

Doch Barmherzigkeit kommt selbst unter Christen nicht immer gut an:  Barmherzigkeit sei nur gefühliges Mitleid, helfe vielleicht dem Einzelnen, ändere aber die schlechten Verhältnisse nicht. Vor allem meinen viele: Barmherzigkeit und Gerechtigkeit passen nicht zusammen. Wer Geld und Einfluss hat, wer sich durchsetzen kann, der braucht keine Barmherzigkeit. Wer aber benachteiligt, arm oder ausgegrenzt ist, der braucht meist auch keine Barmherzigkeit, der braucht vor allem Gerechtigkeit. Da ist es sogar gefährlich von Barmherzigkeit zu reden. Wenn Unrecht mit Barmherzigkeit überspielt wird, ist niemand gedient. Die abgelegten Kleider in die Kleiderkammer zu bringen oder abgelaufene Lebensmittel zur Suppenküche ist sinnvoll. Es befreit aber nicht von der Verpflichtung, für das Recht aller auf gute Ernährung und hinreichende Kleidung einzutreten.

Barmherzigkeit fängt da an, wo Recht, Nützlichkeit und gute Gründe alleine nicht reichen. Überschüssige Lebensmittel in Suppenküchen und Tafelläden zu bringen, ist sparsam und nützlich. Aber das ist keine Barmherzigkeit. Barmherzigkeit fängt an, wenn die Speisen nicht mehr nur über den Tresen gereicht und verteilt werden. Sondern wenn alle an einer Tafel sitzen, als Gleiche an einem Tisch, nicht einer als hervorgehobener Gastgeber und der andere als demütiger, dankbarer Almosenempfänger. 

Wer so handelt, wird leicht mit den anderen am Tisch in einen Topf geworfen, in der Suppenküche ebenso wie im Alltag und am Arbeitsplatz. Dann ist Mut gefordert dazu zu stehen, dass wir alle an einen Tisch gehören. Dieser Mut hat eine Stütze: Gott hat zuerst alle an einen Tisch gerufen. Jesus hat sich mit stadtbekannten Übeltätern ebenso an einen Tisch gesetzt wie mit ehrbaren Religionsvertretern. Er hat so gesellschaftliche Verhältnisse umgestürzt, hat die einen aus dem Schatten geholt, die anderen an ihre Pflichten erinnert und alle zusammengebracht. Das ist die Hoffnung von Papst Franziskus: Dass Barmherzigkeit die Verhältnisse verändert.

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