SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Zum Schuljahresende mache ich bei meinen Schülern manchmal eine kleine Umfrage: Was Ihnen in diesem Schuljahr besonders gut gefallen hat, was sie sich anders wünschen und was sie in der Schule am meisten stresst. Und von der Antwort auf die letzte Frage bin ich regelmäßig überrascht. Die meisten fühlen sich in der Schule am stärksten gestresst vom Lärm. Obwohl sie den selbst verursachen.

Wenn wir dann darüber reden, was man gegen den Lärm machen kann, üben wir mit einer Klangschale still zu werden. Die Übung besteht darin, dass ich mit einem Klöppel gegen die Schale schlage und alle im Raum hören, wie der Ton verklingt. Alle sind solange still bis sie nichts mehr hören. Das erzeugt eine Stille, bei der alle höchst konzentriert sind. Und wenn wir dann die Übung beenden, atmen manche impulsiv tief auf. Ein Seufzer, wie zum Druck ablassen. Vielleicht zeigt dieser Seufzer, wie anstrengend und ungewohnt dieses Stillhalten für sie ist. Aber vielleicht werden sie damit auch ein bisschen von dem Stress los, den sie im Alltag haben und der sich im Lärm bemerkbar macht. Einfach, aber wirkungsvoll. Das sagen sie dann meistens auch. Wie schön diese Stille ist. Und vor allem erholsam.

Manchmal lasse ich am späten Abend den Tag auch so ausklingen. Dazu brauche ich nicht einmal einen Klang. Ich setze mich einfach nur hin und horche in mich hinein, was von diesem Tag in mir nachklingt. Das ist nicht nur erholsam, es reinigt auch die Seele. Manchmal kommt etwas hoch, das mich noch ärgert, ein hitziger Dialog. Aber weil ich inzwischen ein bisschen Abstand dazu habe, kann ich mich besser beruhigen. Wo ich heute Morgen noch unbedingt klarstellen musste, dass ich Recht habe, kann ich jetzt mit ein bisschen Abstand sagen, dass ich die Sache gar nicht so wichtig nehmen muss.

Oder mir fällt eine Begegnung ein, wo ein Kollege mich zwischen Tür und Angel gefragt hat, wie es mir geht und ich nur kurz reagiert habe. Aber die Gegenfrage habe ich nicht mehr gestellt. Als ob es mich nicht interessieren würde. Ich nehme mir dann vor, dass ich das morgen nachhole.

Manchmal kommen auch scheinbar unwichtige Begegnungen hoch, die ich beinahe schon vergessen habe, weil sie nur so kurz waren. Weil sie aber freundlich waren, tun sie mir dann am Abend ein zweites Mal gut.

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