SWR3 Gedanken

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Nach dem Anschlag von Nizza haben die Menschen ganz unterschiedlich reagiert: bestürzt, voller Mitleid, wütend, ängstlich oder einfach nur fertig. Ein wilder Gefühlsmix - und ich finde, jedes Gefühl hat seine Berechtigung.

Bestürzt waren viele, als sie zum ersten Mal die Meldung gehört haben. O nein, nicht schon wieder. Die vielen Opfer und Angehörige. Hört das denn nie auf?

Mitleid kommt von allen Seiten. Unter „Hashtag Pray for Nice“ wird es öffentlich. DJ David Guetta postet „Unsere Herzen weinen.“ Der Fußballstar Gareth Bale twittert: „Meine Gedanken sind bei allen in Nizza.“ Auch Justin Timberlake betet. Die französische Nationalmannschaft stellt eine weinende Friedenstaube ins Netz, und die Tour de France hält inne für eine Gedenkminute. Kerzen, Gebete, Blumen – das scheint vielen zu helfen. Andere wollen konkreter anpacken und spenden Blut oder helfen beim Recherchieren, wer betroffen ist.

Ich verstehe auch diejenigen, die Angst haben und die, die wütend sind. Wenn ich nicht mehr ohne ein mulmiges Gefühl auf ein Festival gehen kann, wenn ich auf einem Bahnhof oder Flughafen verstohlen um mich blicke, ob sich da vielleicht jemand verdächtig verhält. Dann ist das ein Angriff auf unsere Freiheit. Freiheit – eines dieser drei Schlagworte der französischen Revolution, die am Abend des Anschlags in Nizza ausgelassen gefeiert wurden.

Ich verstehe aber auch all diejenigen, die erschöpft sind vom Mitleiden, vom schlechte Nachrichten hören, vom Bestürzt-, Wütend- oder Ängstlichsein. Bei vielen tritt ein Gewöhnungseffekt ein, so makaber das auch klingen mag. Auf der einen Seite soll niemand dieses Leid vergessen, auf der anderen Seite schützt uns unsere Psyche, indem sie solche schrecklichen Dinge in Schichten einlagert, die nicht ständig obenauf liegen. Und ich finde, das darf auch sein.

Ein Post macht das besonders deutlich. Da heißt es:

„Je suis Charlie, ich bin Paris, ich bin Brüssel, ich bin Istanbul, ich bin Bagdad, ich bin Bangladesch, ich bin Nizza, ich bin erschöpft.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22406
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