SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ich halte mich durch und durch für einen Demokraten. Aber seit der Brexit-Entscheidung mache ich mir Gedanken, ob Volksentscheide das rechte Mittel sind. Ein Volksentscheid ist dann sinnvoll, wenn möglichst viele mitentscheiden. Außerdem müssen sich alle so gut in der Materie auskennen, dass sie die Folgen ihrer Entscheidung abschätzen können. Wenn aber nur Experten oder Volksvertreter entscheiden, kann das einseitig werden. Wenn zum Beispiel Lobbyisten Einfluss nehmen und wirtschaftliche Interessen einzelner mehr zum Zug kommen als das dass wir zusammenhalten und dafür sorgen, dass es allen gut geht. Für mich geht es dabei um christliche Werte. Deshalb frage ich mich besonders, wie demokratische Entscheidungen am besten in einer Gesellschaft getroffen werden und wie Christentum und Demokratie zusammenpassen. 

Mehrheiten können irren. Sokrates hat die Demokratie eher als Notlösung gesehen. Für ihn wäre eine Diktatur von Philosophen ideal, weil der Philosoph nicht an sich denkt, sondern an das, was für alle gut ist. Der Punkt ist nur, dass jemand entscheiden müsste, wer dann als Philosoph gilt. Nicht alle Gebildeten sind klug. Etliche der akademischen Elite haben bei den Nazis einfach mitgemacht und das Bildungssystem zurechtgebogen: Biologen haben die Rassenlehre als Wissenschaft verkauft und Theologen haben allzu Judenfreundliches vermieden. 

Die Herrschaftsmodelle, die wir aus der Bibel kennen, sind historisch bedingt: Im Alten Testament ist es die Sippe, die regiert, wie bei Abraham und seinen Nachfahren, eine Regierung von Experten in der Richterzeit oder eine Monarchie, in der der König als Stellvertreter Gottes fungiert. Und im Neuen Testament ist die Frage fast bedeutungslos, weil die Christen da noch denken, dass das Weltende sowieso bald kommt.

Für mich zeigt die Bibel aber trotzdem einen roten Faden: Der Gedanke, dass alle Menschen gleich sind, weil sie Gottes Abbild sind, weil sie von Jesus gerufen sind und weil der Heilige Geist in ihnen wohnen kann. Und auch wenn Jesus davon spricht, dass Gott als König herrscht, dann ist für ihn klar, was der Maßstab für dieses Regieren ist: Dass es den Armen, den Trauernden und Friedensstiftern gut geht. Das heißt eben auch, dass Schwache in der Gesellschaft gestärkt werden müssen.

Ich habe noch keine Lösung, wie das konkret aussehen kann. Aber für mich ist die beste Möglichkeit, dass Gott herrscht, die Demokratie. Und dazu gehört, dass auch der Schwächste in der Gesellschaft so stark gemacht wird, dass er mitentscheiden kann. 

´

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22405
weiterlesen...