SWR3 Gedanken

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Zum ersten Mal in ihrem Leben geht meine Freundin zur Pediküre. Hat das tiefe Bedürfnis nach schönen Füßen mit glänzenden Nägeln, die in offenen Schuhen gut aussehen. Hat auch funktioniert. Ihre Füße sind wirklich schön.

Findet auch ihre achtjährige Tochter. Die bestaunt die glänzende Zehenpracht. Deine Füße sehen wunderschön aus, sagt sie voller Bewunderung. Sie sehen aus, als ob sie gar nicht zu dir gehören.

Als mir meine Freundin diese Geschichte erzählt, muss ich schallend lachen. Und meine Freundin auch. Eigentlich wollte die kleine Lina ihrer Mutter ein Kompliment machen. Aber der Schuss ist ziemlich nach hinten losgegangen.

Dabei wissen wir beide, wie sie das gemeint hat. Meine Freundin ist eigentlich nicht der Typ für lackierte Nägel. Sie ist eher der Typ ungeschminkte Wahrheit. Irgendwie passen die lackierten Nägel wirklich nicht ins Bild. Das hat die Lina messerscharf erkannt.

Andererseits heißt es in der Bibel: „Gott stellt meine Füße auf weiten Raum.“ Wer sagt, dass ich immer und ewig derselbe Typ sein muss. Ich darf mich verändern, etwas an mir verändern. Ich darf anders sein als sonst. Etwas ausprobieren. Mich ausprobieren. Und sei es eben nur an den Füßen.

Lina hält ihre Mutter übrigens für wunderschön. Mit und ohne Lack. Weil es ihre Mutter ist und weil sie sie liebt. Mit und ohne Lack. Und diese Liebe schafft den weiten Raum, der Menschen eben nicht festlegt, sondern sich selbst finden lässt. Erfinden lässt. Immer wieder neu.

Deshalb schlüpft meine Freundin in offene Schuhe und geht mit ihrer Lina Eis essen. Ihre Füße sehen wirklich wunderschön aus. Und sie gehören ganz und gar zu ihr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22388
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