Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Vier Figuren gucken ganz streng und eine liebevoll. Diese Figuren stehen an der Kanzel in der Kastorkirche in Koblenz. Die vier Figuren, die ganz streng schauen, sind die Kirchenväter. Die Figur, die nicht streng sondern eher liebevoll schaut, ist Jesus selbst. Dargestellt als der gute Hirte, der ein Lamm auf seinem Rücken trägt.

Die vier Kirchenväter: der heilige Augustinus, der heilige Ambrosius, der heilige Hieronymus und der heilige Gregor sind häufig an einer Kanzel aufgestellt. Sie sind die großen Lehrer der Kirche. Sie waren allesamt kluge Theologen, Bischöfe und einer sogar Papst. Zum Zeichen ihrer Macht und Gelehrsamkeit halten sie Bischofsstäbe und dicke Bücher in ihren Händen. Ihre Erscheinung flößt Respekt ein. Dass sie an einer Kanzel stehen macht Sinn, denn hier wird das Wort Gottes verkündet und ausgelegt. Ihre Anwesenheit soll denjenigen, die heute dort predigen, einschärfen: Haltet Euch an die Lehre der Kirche, so wie sie von den großen Theologen formuliert wurde.

Die Figur des guten Hirten, der das Lamm trägt, findet man eher selten an einer Kanzel. Sie erinnert an ein Gleichnis aus der Bibel. Gott ist wie ein guter Hirte, der lieber 99 brave Schafe alleine lässt bevor er das eine, das sich unter den Sträuchern verirrt hat, aufgibt. Ich freue mich darüber, dass diese Figur neben den großen Kirchenvätern ebenfalls an der Kanzel steht. Für mich ist das ein stiller Protest für die Barmherzigkeit gegen allzu große lehramtliche Strenge.

Natürlich soll auf der Kanzel die Lehre der Kirche verkündet werden, für die die Kirchenväter stehen, aber der Prediger soll es als der gute Hirte tun. Der da ist für die, die sich im Gestrüpp des Lebens verlaufen haben. Die Fehler gemacht haben und immer wieder machen. Denn in vielen Fällen ist die liebevolle Barmherzigkeit wichtiger als die lehramtliche Strenge.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22293
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