SWR3 Gedanken

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„Wenn jemand schwul ist und guten Willen hat, wer bin ich, über ihn zu urteilen?“ Der Satz von Papst Franziskus, gesagt in einem Interview vor drei Jahren, war eine Sensation. Viele hofften damals, dass meine Kirche nun endlich ein unverkrampfteres Verhältnis zu Schwulen und Lesben findet. Bislang wurden sie enttäuscht, leider. Dennoch, dieser Satz des Papstes ist in der Welt. Er kam mir wieder in den Sinn, als ich vor einigen Tagen vom Massaker in Florida hörte. 49 Tote in einer Bar für Schwule und Lesben. Ermordet aus blankem Hass auf Menschen, die ein bisschen anders sind und anders leben. „Wer bin ich, über diese Menschen zu urteilen?“

Heute ist Christopher-Street-Day. Aus den vergangenen Jahren ist er vor allem als schräges, knallbuntes Partyspektakel in Erinnerung. Sein Ursprung allerdings ist bitterernst. Heute vor 47 Jahren rebellierten Homosexuelle in der New Yorker Christopher Street gegen Diskriminierung und brutale Polizeigewalt. Fünf Tage lang dauerten die Straßenschlachten mit der Polizei. Für unzählige Schwule und Lesben eine Initialzündung für ein neues Selbstbewusstsein. Traurig eigentlich, dass die Erinnerung daran bis heute Not tut. Weil der Hass auf Menschen, die anders sind und leben einfach nicht auszurotten ist. Und weil noch immer nicht jeder so leben kann wie es zu ihm passt – sofern er die Grundrechte der anderen achtet. Oder um es mit den Worten des Papstes zu sagen: Wie auch immer jemand leben will. Wenn er guten Willen hat, wer bin ich denn, über ihn zu urteilen?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22272
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