SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Manche Musikstücke und Lieder höre ich gern immer und immer wieder. Unmittelbar hintereinander, ohne Unterbrechung. Ohrwürmer nennt man solche Musik.

Die Psalmen des Alten Testaments der Bibel sind früher auch Ohrwürmer gewesen. Lieder, die immer und immer wieder gesungen wurden. Damals gab’s noch keine Abspielgeräte. Deshalb kannten viele Leute die Psalmen auswendig und konnten sie sozusagen auf „Knopfdruck“ singen. Da war für alle Lebenslagen etwas dabei. Wenn man in eine bestimmte Situation kam, konnte man sich mit dem entsprechenden Psalm trösten. Es hat gut getan zu wissen: Da war schon einmal ein anderer in der gleichen Lage. Er hat sie gemeistert und danach ein Lied dazu geschrieben. Für sich und für andere. 

Warum toben die Völker, warum machen die Nationen vergebliche Pläne?, heißt es zum Beispiel in Psalm 2. Ich nehme an, da werden die Politiker und Mächtigen eines Landes große Ziele gehabt haben. Sie wollten besser sein als ihre Nachbarn, und ihre Gier nach Besitz und Einfluss wird Probleme bereitet haben, den eigenen Leuten und denen jenseits ihrer Grenzen. Wie aktuell das ist, liegt auf der Hand, wenn wir nach Syrien schauen oder nach Eritrea, wo ein Diktator das eigene Volk in die Flucht treibt.

Im berühmten 23. Psalm kommt ein einzelner Mensch zu Wort, jemand, der in finsterer Schlucht wandert, also traurig ist und allein. Wem die Perspektive abhanden zu kommen droht, wer keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht, der kann sich diesen Vers vorsagen, immer und immer wieder, wie einen Ohrwurm. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, du bist bei mir. Du, Gott, meint der Dichter, weil die Psalmen Lieder sind, die ihren Trost bei Gott suchen. Und finden. 

Wenn ein Tag seinem Ende zugeht, habe ich einen Lieblingspsalm, mit dem ich loslasse, was so alles auf mich eingeströmt ist den Tag über. Den habe ich schon so oft aufgesagt, dass ich ihn längst auswendig kann. Er beruhigt mich. Und weil ich oft eine innere Unruhe in mir spüre, tut mir das besonders gut. Ich hoffe, dass er Ihnen auch gut tut, der 139. Psalm. Heute und an anderen Tagen: 

Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich.

Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir.

Von fern erkennst du meine Gedanken.

Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt;

du bist vertraut mit all meinen Wegen.

 

Noch liegt mir das Wort nicht auf der Zunge -

du, Herr, kennst es bereits.

Du umschließt mich von allen Seiten

und legst deine Hand auf mich.

 

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