SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich erzähle Ihnen heute Abend eine Geschichte, die mich sehr berührt. Sie handelt von einem Enkel und seinem Opa. Andreas Steinhöfel hat sie aufgeschrieben.

Der Enkel heißt Max und ist neun Jahre alt. Eines Morgens, bevor er in die Schule geht, fällt ihm auf, dass ihm etwas fehlt – mehr als sonst. Er kann das richtig körperlich spüren. Dass sein Opa nicht mehr bei ihm zu Hause lebt, dass er ihn nicht jeden Tag sehen kann, das ist nicht gut. Max hat eine Riesensehnsucht nach ihm. Er steht auf, putzt die Zähne, packt seinen Rucksack und verlässt das Haus. 

Max - davon erzählt die Geschichte im folgenden - will seinen Großvater aus dem Pflegeheim entführen, in dem er seit einem Jahr lebt. Max vermisst seinen Großvater sehr. Und es gefällt ihm gar nicht, dass Opa weit weg ist: am Ende der Stadt, hinter Türen, die nur mit einer Zahlenkombination zu öffnen sind, von fremden Menschen betreut, die nicht viel Zeit für ihn haben. Wenn er fragt, weshalb der Großvater jetzt im Heim ist, heißt es: Er vergisst alles, er ist verwirrt, sein Verstand funktioniert immer weniger.

Max hört sich das an, aber sieht das ganz anders. Er geht also ins Heim und holt den Opa einfach raus. Mit dem Bus fahren sie an einen Ort namens Blumental. Dort erleben sie - und das ist der Kern der Geschichte - einen wunderbaren Tag. Wie im Paradies. Sie liegen auf einer Wiese, schauen in den Himmel, halten sich an der Hand und sprechen. 

In Steinhöfels Geschichte heißt es dann wörtlich:

Ich hab Angst“, sagte Max. Wovor?“ Dass ich irgendwann mal sage, weißt du noch?, und du weißt es nicht mehr. Und dass du ... dass du irgendwann vergisst, wie lieb du mich hast.“Max.“ Die vertraute Hand legte sich auf seine Schultern. Ein leichter Druck. „Keine Angst. Du musst keine Angst haben, Junge.“ Die zweite Hand zeigte nach oben, auf den über dem Waldstück stehenden, nebelblassen Mond. „Den Mond kannst du nicht immer sehen. Aber du weißt, dass er immer da ist. Ja?“ Max nickte. Gut. Mehr musst du nicht wissen. Mehr musst du wirklich nicht wissen. Ja?“ 

Am Ende des Tages ist der Opa wieder im Heim. Die Polizei hat sie gefunden und zurück gebracht. Und Max liegt abends in seinem Bett. Nur das mit seiner Sehnsucht, das ist ganz anders als vorher.

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