SWR2 Wort zum Tag

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Wenn Mesut Özil kein guter Deutscher ist, dann bin ich auch keiner. Dem deutschen Fußballnationalspieler hat man den Patriotismus vor kurzem abgesprochen. Dabei ist er wie ich in Deutschland geboren. Er in Gelsenkirchen, ich in Heidelberg. Er hat hier seinen Schulabschluss gemacht. Selbstverständlich hat er seinen deutschen Pass. Und es war für ihn keine Frage, dass er in der deutschen Nationalmannschaft spielen möchte. Da unterscheiden wir uns. Ich bin leider kein so außergewöhnlicher Spieler wie er.

Und trotzdem wird gegen Mesut Özil politisch gehetzt. Es sei „antipatriotisch“, dass er kurz vor der EM als muslimischer Pilger in Mekka war.

Wieder dieses üble Ausgrenzen von Deutschen muslimischen Glaubens, ihrer Religion wegen. Wieder dieses üble Spiel. Und diese generelle Stigmatisierung: Ein praktizierender Muslim könne nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Der deutsche Pass reiche nicht. Der Islam gehöre nicht zu Deutschland.

Und woran soll das ablesbar sein? Etwa daran, dass der geographische Fluchtpunkt seines Glaubens nicht in Deutschland liegt? Nicht in Europa? Sondern im Nahen Osten.

Aber das ist bei mir als Christ auch nicht anders. Der geographische Fluchtpunkt des christlichen Glaubens liegt nicht in Deutschland. Und für mich auch nicht in Europa. Ich bin evangelisch, aber Luthers Wittenberg ist für mich kein heiliger Ort. Interessant, das ja. Und Rom ist für mich nicht die Heilige Stadt. Wenn ein Ort Fluchtpunkt meines Glaubens ist, dann ist das Jerusalem. Nicht Europa, Naher Osten. Dort ist Jesus gestorben und auferstanden. Dort ist er Opfer der Machtmenschen seiner Zeit geworden. Aber Gott hat ihn ins Recht gesetzt. Das ist auch gemeint, wenn man als Christ bekennt: ‚Er ist auferstanden.‘ Und das bedeutet auch: Gott ist auf der Seite all derer, die ausgegrenzt werden. Ausgegrenzt von denen, die die Macht haben oder sie sich anmaßen.

Wenn Mesut Özil als Muslim und Mekkapilger kein guter Patriot sein kann, dann ich auch nicht. Und alle Christinnen und Christen auch nicht, die an Jesus glauben und sich an ihm orientieren: An einem Juden, der in Jerusalem gekreuzigt wurde und auferstanden ist.

Aber lasse ich mir und Mesut Özil absprechen, dass wir Patrioten sind? Nein, lasse ich nicht. Ich lasse mir meinen Fußball-Patriotismus nicht vergällen. Und mein Deutschsein nicht bestreiten, und auch nicht vorschreiben wie ich es zu fühlen oder zu zeigen habe: Mehr als den Pass und das Grundgesetz braucht es nicht, um Patriot zu sein. Das ist anspruchsvoll genug: Freiheit und Würde für jeden Menschen zu schützen. ZB. auch die Religionsfreiheit.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22217
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