SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Früher, als ich noch jung und schön war“ – diese Floskel sagt man so dahin und nicht selten folgt ein Seufzer… Ja, Jugend und Schönheit gehören irgendwie untrennbar zusammen. Das ist von der Natur ja offenbar auch beabsichtigt, damit junge Leute von einander angezogen werden, und dafür sorgen, dass wir Menschen nicht aussterben. Im Hohelied Salomos im Alten Testament kann man dazu sehr bildreiche Worte hören. Da schwärmen zwei Verliebte gegenseitig von ihrer Schönheit:“…der Gazelle gleicht mein Geliebter…“ oder „du erscheinst wie das Morgenrot…“, „…deiner Hüfte Rund ist wie Geschmeide, gefertigt von Künstlerhand…“. Sicher, „die Schönheit liegt im Auge des Betrachters“, es gibt auch junge Menschen, die nicht unserem Schönheitsideal entsprechen.  Das hat sich natürlich auch geändert  im Laufe der Jahrtausende. Aber in der Regel sind es doch junge Menschen, die wir bemerkenswert schön finden. Die ein schönes Gesicht haben, einen makellosen Körper. Doch wie geht es denen, die meinen zu wenig attraktiv zu sein, die sich nicht schön und begehrenswert finden?
Daran denke ich und bin berührt, wenn ich einen Song von Sarah Connor höre: „Wie schön du bist“, singt sie und es heißt da: „…doch wenn du lachst kann ich es sehn, ich seh dich mit all deinen Farben und deinen Narben. Hinter den Mauern. Ja ich seh dich. Lass dir nichts sagen, nein lass dir nichts sagen. Weißt du denn gar nicht wie schön du bist.

Ich finde den Text sehr ermutigend für Menschen, die an sich selbst zweifeln, traurig sind. Das Lied kann einem jungen Menschen Hoffnung machen, irgendwann jemanden zu treffen, der ihn so mag wie er ist, für den das Schönheitsbild in den Medien, überhaupt kein Maßstab ist.
Aber der Text kann auch einen älteren Menschen versöhnen, der an seinem Spiegelbild scheinbar nichts Schönes mehr entdecken kann. Weil er inzwischen vom Leben gezeichnet ist: Da sind die vielen Falten im Gesicht, da sind die Narben. Aber diese Unvollkommenheiten erzählen vom Leben. Von Enttäuschungen, die ein Mensch erlebt hat, von Sorgen, die vielleicht einen bitteren Zug um den Mund erscheinen lassen. Aber die vielen Lachfalten erinnern auch an glückliche Zeiten. „Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet“, sagt der Dichter Christian Morgenstern. Auch ältere Menschen können schön sein. Es tut gut, sich selbst mal etwas liebevoller zu betrachten. Und wenn ich den Menschen liebevoll anschaue, mit dem ich zusammen alt geworden bin. Der mir so vertraut ist über die vielen Jahre, kann ich auch jetzt noch viel liebenswert Schönes entdecken. Und es freut ihn ganz bestimmt, wenn ich es ihm auch sage: Zum Beispie wie herzerfrischend er immer noch lacht. Was er für schöne blauen Augen hat, wie gut mir seine Art immer noch tut…

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