SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ – heißt es bei Friedrich Schiller. Eine Nachbarin hat mir den Spruch neulich aufgesagt. Ein anderer Nachbar hat sich am Geplätscher ihres Springbrunnens gestört und eine große Trennwand aufgestellt. Die gefällt ihr nun ganz und gar nicht.

Es gibt nichts Schlimmeres als mit den Nachbarn Streit zu haben, wenn man in einem Reihenhaus so nah nebeneinander wohnt wie wir. Ich fühle mich dann einfach nicht wohl. Das habe ich kürzlich gemerkt: Alle Eigentümer sollten gemeinsam eine Entscheidung treffen, es gab aber vollkommen gegensätzliche Meinungen. Eine unangenehme Situation. Ein Nachbar fühlte sich irgendwie persönlich beleidigt und hat nicht mehr gegrüßt. Glücklicherweise hat sich die Lage wieder entspannt. Ich verstehe nicht, wie Nachbarn manchmal über Jahre permanent im Streit miteinander leben. Es kann ja hin und wieder durchaus berechtigt sein, aber wenn es sich dann so hochschaukelt, dass man beinahe darauf wartet, sich wieder aufregen zu können, geht doch auch ein Stück Lebensqualität verloren! Dort stört eine Bepflanzung, auf der anderen Seite sind die Kinder zu laut. Auf eine Beschwerde folgte sofort eine Retourkutsche. Leider ist das Ganze so ein Teufelskreis, dass ein friedliches Nebeneinander nicht möglich zu sein scheint. So schade! Und ich kann nicht einmal sagen, wer der „fromme“, der friedliche Nachbar ist und wer der böse. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Solange du deinem Nachbarn das Anderssein nicht verziehen hast, bis du noch weit zurück auf dem Weg der Weisheit.“ Menschen sind nun mal sehr verschieden, nehmen Dinge unterschiedlich wahr. Leben ganz anders. Damit muss ich mich abfinden. Und ich darf nicht zu kleinlich sein, muss manches einfach mal zulassen, auch wenn ich mich ärgere. Einfach um des lieben Friedens willen. Man kann sich ja auch mal mit Humor abreagieren… Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Natürlich werden manchmal Grenzen überschritten, da muss ich auch mal ganz bestimmt meine Meinung sagen, aber wohlüberlegt und auf eine freundliche und kooperative Art und Weise. Das ist bisher fast immer gut gegangen. Es ist allerdings dann schwierig, wenn es im Vorfeld schon so viele im Grunde unnötige Querelen gegeben hat. Ich finde, da muss einer mal den Teufelskreis durchbrechen – vielleicht gibt es ja die passende Gelegenheit: spontan Hilfe anbieten, mal was Nettes sagen – über die Kinder, über den schönen blühenden Baum. Oder die Nachbarn auf ein Glas Sekt einladen, wenn man im Garten feiert… Es gibt da viele Möglichkeiten, wenn beide offen sind, etwas ändern wollen.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22180
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