SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

 – nicht die Ware und nicht die Verfügungsmasse

Ich komme gerade vom Katholikentag, der letzte Woche in Leipzig stattfand. „Seht, da ist der Mensch“, so hieß das Motto unter dem über 1000 Veranstaltungen stattfanden. Der Mensch stand also im Mittelpunkt der Diskussionen, Gottesdienste, Konzerte und Aktionen. Zwei Diskussionen hinterließen einen sehr nachhaltigen Eindruck bei mir, beide zur modernen Reproduktionsmedizin. Die hatte den Titel „Ein Kind um jeden Preis? Chancen und Grenzen der Reproduktionsmedizin“ und die andere hieß „Wunschkind – Neue Technologie und die Rechte des Kindes“. Bei beiden ging es um die Möglichkeiten, die sich ergeben, wenn neues Leben durch Befruchtung im Reagenzglas entsteht und dadurch, dass danach ein Embryo in den Körper einer Frau eingepflanzt wird. Dadurch, dass man immer gleichzeitig mehrere Eizellen befruchtet, ergibt sich natürlich die Frage, welchen der entstandenen Embryonen man einpflanzt und vor allem: Was geschieht mit den anderen?

Mir wurde einigermaßen schwindelig beim Versuch, die ganze Dimension der Sache überhaupt zu erfassen, denn theoretisch (und wenn es keine Gesetze gäbe auch praktisch) ist es möglich auszuwählen, wer biologischer und wer sozialer Vater des Kindes sein soll, wer biologische Mutter und wer soziale Mutter sein soll. Dabei kann auch die Frau, die das Kind austrägt, wieder eine andere sein und für die dabei entstehenden Menschen ergibt sich die Problematik multipler Eltern, von denen sie z.T. nicht einmal wissen. Gesetzlich erlaubt ist in Deutschland bisher nur die Samenspende, aber möglich wäre natürlich ebenso die Spende von Eizellen an andere oder von bereits befruchteten Eizellen, also von Embryonen. Hier noch durchzublicken ist schwierig und die Bio-Wissenschaftler sind den Philosophen, Theologen und Soziologen immer um Längen voraus – vom Gesetzgeber ganz zu schweigen, der sich erst bei den genannten genau erkundigen muss, bevor langwierige Prozesse der Gesetzesbildung in Gang kommen….

Aber es ist notwendig und wichtig, durch diesen Dschungel von Möglichkeiten zu dringen, denn hier durchzublicken bedeutet das zu tun, was der Katholikentag sich dieses Jahr auf die Fahnen geschrieben hatte: Es bedeutet auf den Menschen zu blicken. Dieser hat eine unhintergehbare Würde, ob man ihn – so wie ich – als Gottes Geschöpf ansieht oder nicht. Es geht um die Situation der Menschen, die sich Kinder wünschen und leidvolle Wege hinter sich haben bzw. vor sich. Es geht aber auch und vor allem um die Rechte derjenigen, die auf diese wissenschaftlich-technische Weise ins Leben kommen und die niemals als Verfügungsmasse gebraucht werden dürfen. Seht, da ist der Mensch im Reagenzglas und im medizinischen Verfahren. Er ist keine Ware und kein Handelsgut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22128
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