Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Jesus hat es mehr mit den Sündern als mit den Frommen. Die Pharisäer, die Frommen seiner Zeit, fertigt er gerne mit markigen Sprüchen ab. „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ und überhaupt seid ihr mir doch egal, „denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.“ (Mt 9,12f) Ein Schlag ins Gesicht für die Frommen von damals. Und für die Frommen von heute?
Einige von ihnen werden vielleicht sagen, dass Jesus sie bestimmt nicht meinen kann und sie deshalb mit diesen Sätzen auch nicht ins Gesicht schlägt. Denn man kann nicht einfach die, die heute versuchen fromm zu sein mit den Pharisäern von damals vergleichen. Klar, gibt es Unterschiede, aber eins hat die Jahrhunderte überdauert: All zu oft vermitteln Fromme den Eindruck, dass nur sie die Guten und die andern, die keinen Gott kennen, die Bösen, in den Worten des Evangeliums eben die Sünder sind.
Andere Fromme werden vielleicht sagen, dass Jesus mit seiner Vorliebe für die Sünder ihnen nicht ins Gesicht schlägt, aber auf die Schulter! Denn sie identifizieren sich nicht mit den Pharisäern, sondern mit Jesus selbst, als Christen sind sie in die Nachfolge Jesu berufen. In den Worten Jesu: Sie sind nicht die Gesunden, sondern die Ärzte.
Mich als Christ nicht mit dem Gesunden, dem Pharisäer, sondern mit dem Arzt zu identifizieren, ist mir ein sympathischer Gedanke. Aber ich weiß, dass ich oft diesem Anspruch nicht gerecht werde. Oft geht von mir und meinem Tun nichts Heilendes aus, bin ich kein Arzt. Im Gegenteil manchmal bin ich es, der Leid und Unheil verursacht. Dann bin ich froh, mich mit dem Sünder identifizieren zu können. Dann ist die Vorliebe Jesu für die Sünder für mich weder ein Schlag ins Gesicht, der mir weh tut, noch auf den Rücken, der mich aufmuntert, sondern eine Hand, die mich auffängt. Denn sie sagt mir, Gott ruft mich, meint mich, kommt zu mir, auch wenn ich religiösen oder moralischen Standards nicht entspreche.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2210
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