SWR3 Gedanken

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„Wo Demütigung herrscht, gibt es keine Demut“. Ein sehr weiser Satz des türkischen Schriftstellers Zafer Senocak. Er gilt im Großen wie im Kleinen. Wird ein Mensch zu lange gedemütigt, dann wird er depressiv oder aggressiv. Die Biographie vieler Schwerverbrecher oder Psychopathen liest sich oft wie eine endlose Liste von Demütigungen. Nicht anders bei Nationen oder Volksgruppen. Auch die fürchterlichen Selbstmord-Anschläge des IS sind ohne Demütigungen nicht zu verstehen. Jahrzehntelang wurde die arabische Kultur gedemütigt. Erst durch die Kolonialpolitik Frankreichs und Englands. Danach durch die verlogenen Irak-Kriege der USA - samt den sadistischen Demütigungen im Foltergefängnis von Abu Ghraib. Und wenn dann arabisch-stämmige Einwohner Frankreichs oder Belgiens keine Chance haben an dem Wohlstand vor ihren Augen teilzuhaben und wenn ihre Perspektivlosigkeit in den Hassbotschaften des IS so etwas wie eine Antwort bekommt, dann kann Zerstörung zu Sinn werden. Mit Religion hat das nichts zu tun. Auch wenn die Mörder lauthals Allah preisen bevor sie ihre Sprenggürtel zünden. Zu lange Demütigungen, fehlender Lebenssinn und Hass verhindern das, was zu jedem echten Glauben gehört: Demut. Demut heißt weder falsche Bescheidenheit noch Unterwürfigkeit. Demut heißt, dass ich mir meiner Grenzen und Schwächen bewusst bin, dass ich so stark und so schwach bin wie jeder andere Mensch auch. Und dass ich ein Geschöpf Gottes bin, der – allein - unendlich viel größer, weiter und liebender ist als ich. Wo diese Art von Demut erfahrbar wird, haben weder Demütigungen noch Gewalt einen Platz.

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