Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Er nimmt kein Blatt vor den Mund: Der Prophet Amos im Alten Testament der Bibel. Heute wird in den katholischen Gottesdiensten ein Text von ihm vorgelesen (Am 8,4-7). Dort heißt es direkt am Anfang: „Hört dieses Wort, die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt.“ Er klagt die Reichen und Mächtigen an: „Ihr treibt die Preise in die Höhe, an der Getreidewaage fälscht ihr die Gewichte, selbst den Abfall des Getreides macht ihr noch zu Geld! Ihr nutzt die Not der andern aus, um euch selbst zu bereichern.“ Der Hintergrund seiner Klage ist die immer stärker werdende soziale Ungerechtigkeit im Volk Israel. Die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer. Nun, so ganz fremd ist uns diese Situation nicht. Seit Jahrzehnten wird die Schere zwischen dem Reichtum einiger und der Armut vieler immer größer, sowohl weltweit als auch hier bei uns in Deutschland. Amos macht in seiner Kritik immer wieder deutlich, dass eine solche Situation nicht dem Willen Gottes entspricht. Sicherlich hat man ihm damals – genau wie heute – versucht klar zu machen, dass der Wille Gottes das eine und die Art zu wirtschaften das andere sei. Und vielleicht hat er sich auch den Vorwurf des „Sozialromantikers einhandeln müssen, wenn er fordere, dass der Wille Gottes über den Gesetzen der Wirtschaft stehe. Sicherlich akzeptieren bei uns heute nicht mehr alle Mächtigen in Politik und Wirtschaft den Willen Gottes als Richtschnur ihres Handelns, aber auch für sie gilt zumindest das Grundgesetz. Und dort ist von der Würde des Menschen die Rede, die unantastbar ist. Um in Würde leben zu können, braucht der Mensch ein gewisses Existenzminimum und es entspricht der Würde des Menschen, dass er sich dieses mit seiner Hände Arbeit erwerben kann. Und Sozialromantiker hin oder her, es klingt zynisch in meinen Ohren, wenn Menschen, die das zigfache des Lebensnotwendigen verdienen, im Sinne der freien Wirtschaft den andern diesen Mindestlohn verweigern. Und den Mächtigen in Politik und Wirtschaft, denen der Wille Gottes noch etwas bedeutet, möchte ich den letzten Satz des heutigen Textes nicht vorenthalten. Hier sagt der Prophet Amos in Richtung der Reichen: „Beim Stolze Jakobs hat der Herr geschworen: Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.“ (Amos 4,7).
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2207
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