SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

“Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.“ (1. Kor 16,14) Wer sich diesen Trauspruch auswählt, der hat sich viel vorgenommen. Von „Jeden-Morgen- neben -demselben -aufwachen“ bis zum Abend, wenn der Laptop endlich zugeklappt wird. Vom Kindergeschrei über Autos, die zur Reparatur gebracht werden müssen, bis zu den Schwiegereltern, die man mitheiratet. Vom „Ja“ vor dem Altar bis zum „dass Gott euch durch den Tod scheide“. Und man hat keine Ahnung, wann und wie und wo das sein wird. „Alle Dinge in Liebe geschehen lassen.“   

Aber es wäre ja doch schade, wenn man vor dem Traualtar insgeheim schon überlegt, ob das Ganze denn wohl wirklich fünf Jahre hält. Das wäre  gerade so, als wenn man sich eine Weltreise vornimmt – aber nur eine Fahrkarte nach Wanne-Eickel löst.  

Ich wünsche allen Paaren, die sich trauen lassen, dass sich ihre Hoffnung auf Liebe, die ein Leben lang bleibt, erfüllt. Vor allem aber wünsche ich, dass sie sich einander ein Leben lang die besten Freunde bleiben - beruht doch, wie der Philosoph Friedrich Nietzsche feststellte, eine gute Ehe auf dem „Talent zur Freundschaft.“ (Nietzsche)

Ein Freund - das ist einer, mit dem ich über alle Herzens-, Kopf-, Bauch- und sonstige Angelegenheiten reden kann. Mit dem ich durch dick und dünn gehen kann. Ein Freund ist einer, der unter allen Umständen zu mir hält. Der mich nicht dann verlässt, wenn ich ihn brauche. „Die Freundschaft vermehrt das Gute und verteilt das Schlimme; sie ist das einzige Mittel gegen das Unglück, sie ist das Aufatmen der Seele.“ (Balthasar Gracian) Besser lässt sich auch eine gute Ehe nicht beschreiben.

Der Freund zieht dem Freund nicht die Krücken weg, an denen er humpelt. Wer den anderen als Freund kennen gelernt hat, weiß ja doch ziemlich genau, wo seine Schwächen liegen. Er weiß, wo der andere verletzlich ist, empfindlich reagiert und wo er selbst sich etwas vormacht. Aber weil der wahre Freund auch die Kleinheit, die Schwäche, die Not des Freundes liebevoll durchschaut, legt er keine Finger in offene Wunden. Alle Dinge in Liebe geschehen lassen, das heißt darum auch in der Ehe: dem anderen nicht täglich unter die Nase reiben, was an ihm verbesserungsbedürftig ist. Um ein Freund zu sein, eine Freundin, ist niemand zu jung und niemand zu alt. Eine solche lebenslange Freundschaft wünsche ich allen, die so mutig sind und vor dem Traualtar versprechen, einander zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod sie scheide.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22042
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