Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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27SEP2007
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Es ist eine nette Geschichte. Vielleicht kennen Sie sie ja. Ein jüdischer Schüler bittet seinen Rabbi, ihm zu sagen, wo Gott wohnt und er werde ihm dafür einen Gulden geben. Und der antwortet ihm: Ich gebe dir einen Gulden, wenn du mir sagst, wo er nicht wohnt! Gott ist überall, das ist die Pointe dieser Geschichte. Das sagt sich so leicht.
Ich frage mich, ob der Schüler nicht frustriert ist. Denn die Antwort des Rabbi bringt ihn nicht weiter.
Immer noch bleibt die Frage, wo Gott anzutreffen ist. Ob es ihn überhaupt gibt. Oder ob er nicht doch eine Projektion, ein Produkt menschlicher Phantasie ist. Eine uralte Frage der Menschheit, eine, die uns auch heute umtreibt. Und auf die es keine sicheren Antworten gibt. Schon gar keine Beweise. Vielleicht ist es gut, wenn Christen die Existenz Gottes nicht allzu laut und selbstherrlich in die Welt hinausposaunen. Denn es fällt schwer, das zu glauben, dass er mir nahe ist und mich meint. Aber genau das sagt die Bibel und darauf haben sich Millionen von Menschen im Laufe der Menschheitsgeschichte verlassen. Manche sogar zum Preis ihres Lebens. So wie sie damals sind auch wir heute letztlich darauf angewiesen, zu glauben und darauf zu vertrauen, dass es diesen Gott gibt, der die Menschen begleitet und es gut mit ihnen meint. Wer das bejahen kann, sollte es auch bezeugen. Denn Gott ist darauf angewiesen, dass die, die an ihn glauben, auch von ihm erzählen. Damit andere zum Glauben kommen. Dazu braucht es nicht große Programme und Reden, sondern es genügt, das zu leben, was ich von Gott verstanden und gespürt habe. Das kann in ganz kleinen Schritten sein. Je mehr Menschen dies tun, umso weniger wird in Zukunft eintreten, was der Dichter und Pfarrer Lothar Zenetti vor vielen Jahren formuliert hat:
„Wir bauen Kirchen in unsere Welt,
das fällt uns leicht,
sie sollen bezeugen, dass Gott bei uns wohnt.
Doch selber zu zeigen, wie nahe Gott ist,
das fällt uns schwer,
so bauen wir Kirchen in unsere Welt,
manchmal zu groß.“

(L. Zenetti; Texte der Zuversicht)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2204
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