SWR2 Wort zum Tag

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Der Weinberg liegt südlich von Bethlehem. Wenn die Sicht klar ist, kann man am Horizont das Meer erkennen. Doch die Idylle ist trügerisch.

Rund herum um diesen kleinen Berg ziehen sich israelische Siedlungen mit hohen Grenzzäunen. Vor dem Eingang zu dem Weinberg liegt ein Stein mit einer Aufschrift: „Wir weigern uns Feinde zu sein.“

Der Weinberg gehört der palästinensischen Familie Nassar. Seit über 20 Jahre streiten sie vor Gerichten, wem dieser Weinberg eigentlich gehört. Die Familie Nassar möchte dieses Land natürlich behalten. Denn immerhin haben sie vor exakt 100 Jahren dieses Stück Land erworben.

Die politische Situation bleibt komplex. Mehrmals schon haben sich radikale israelische Siedler Zutritt zum Land der Nassars verschafft und dabei mit Bulldozern hunderte von Bäumen zerstört. Doch die Familie Nassar gibt nicht auf um ihr Land zu kämpfen. Sie macht dies aber auf ihre ganz eigene Weise.

Der Weinberg hat sich zu einem Friedensprojekt entwickelt. „Zelt der Völker“ heißt es. Die Familie will einen Ort schaffen, an dem sich Menschen begegnen können. Er richtet sich besonders an Jugendliche.

Vor einigen Jahren habe ich ein paar Monate lang bei dem Projekt mitgearbeitet und durfte auch mit auf dem Weinberg wohnen. Dort habe ich unter anderem bei den Kinder- und Jugendtreffen mitgemacht.   

Eines hat mich besonders fasziniert:

Das Projekt „Zelt der Völker“ wirkt ganz stark nach außen. Tausende Besucher haben in den vergangenen Jahren den Weinberg besucht. Ein Familienmitglied führt die Gruppen über Anwesen und erklärt die Geschichte der Familie und vor allem ihr Anliegen. Menschen, die weltweit mit Konflikten konfrontiert sind, sollen sich hier begegnen und gute Erfahrungen miteinander machen können. „Zelt der Völker“ will ein Ort des Friedens sein.

Nach all den Gerichtsverhandlungen und all den Enttäuschungen bleiben die Nassars ihrer Überzeugung treu. Und die steht bei ihnen in Stein gemeißelt:

Wir weigern uns Feinde zu sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22037
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