SWR2 Wort zum Tag

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Ich stelle mir vor, ich wäre von lauter Menschen umgeben, die dieselbe Meinung hätten wie ich. Sie läsen dieselben Bücher und wählten dieselbe Partei. Ist das nicht ein grässlicher Gedanke?

Aber so ähnlich funktionieren manche der sozialen Medien. Man äußert auf Facebook eine bestimmte Meinung. Und schon bieten sich hunderte von Freunden an, denen das gefällt. Man bestellt im Online-Buchhandel ein Buch. Und umgehend werden einem andere Titel empfohlen, die dazu passen sollen. Manche Experten erwarten schon eine Entwicklung, die dazu führt, dass jeder nur noch in seinem eigenen Echoraum lebt. 

Natürlich gibt es so etwas auch im realen Leben. Wenn ich mich zum Beispiel nur noch mit Leuten umgebe, die mich bestätigen. Was keine Seltenheit sein soll in manchen Führungsetagen.    

Da finde ich es gut, wieder einmal nachzulesen, wie sich Paulus ein funktionierendes Miteinander in einer christlichen Gemeinde vorstellt. Etwa die Gemeinde in der Hafenstadt Korinth. Dort kannte er sich aus. Kannte auch die Neigung der Menschen, sich abzukapseln unter Gleichgesinnten.

An die Korinther schreibt Paulus: Eine Gemeinde ist wie einen lebendiger Körper. Mit unterschiedlichen Organen und Körperteilen. Das Ganze kann nur funktionieren, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt. Der Fuß sorgt dafür, dass der Körper gehen kann. Die Hand, dass er greifen kann. Das Ohr, dass er hören kann. Das Auge, dass er sehen kann. Wie aber soll das Ganze funktionieren, wenn der Fuß darüber jammert, dass er keine Hand ist? Wenn das Auge lieber ein Ohr wäre? Wenn das Gehör sich taub stellte, weil es viel lieber riechen als hören würde?

Sehr plastisch macht Paulus klar, dass eine Gemeinde nur in Vielfalt funktionieren kann. Jeder Einzelne mit seiner Gabe, mit ihrem Talent. Und mit dem Ziel, alles in einem großen Akkord zusammenklingen zu lassen.

Ich frage mich, ob sich die Idee des Paulus nicht übertragen lässt - von einer Gemeinde im Kleinen auf die Gesellschaft im Großen? Klar, zuweilen kann es sehr schön und auch entlastend sein, sich unter Gleichgesinnten zu bewegen. 

Auf die Dauer aber würde es mir im eigenen Echoraum zu eng. Fenster und Türen zu öffnen, um nach denen zu schauen, die anders leben und anders denken als ich, finde ich viel spannender. 
Und darüber hinaus macht es das eigene Leben bunter und vielfältiger.

 

 

 

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22006
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