SWR2 Wort zum Tag

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„Mensch, hüte dich vor dir! Wirst du mit dir beladen, wirst du dir selber mehr als tausend  Teufel schaden.“ An diesem Satz von Angelus Silesius, einem schlesischen Mystiker des 17. Jahrhunderts, bin ich hängen geblieben. 

Dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, das sagt ja bekanntlich schon der Volksmund. Und manchmal kann einem das sogar ein Trost sein. Dass wir alle unseren Kummer haben, so oder so!

Was aber, wenn man das Gefühl hat, mit sich selbst beladen zu sein, mit dem eigenen Leben? Angelus Silesius stellt einen solchen Gedanken an. Und er erscheint mir heute als sehr aktuell. Mit sich selbst beladen sein. Den Sehnsüchten, die man hat. Den Wünschen, die unbedingt erfüllt werden müssen. Den unterschiedlichsten Rollen, denen man unbedingt gerecht werden will. Nicht zuletzt auch der Eitelkeit, die einen verletzlich macht.

Die Gestalt des Narziss aus der griechischen Mythologie fällt mir ein. Fasziniert von sich selbst, aber auch beladen mit dem eigenen Ego, ertrinkt er im eigenen Spiegelbild.

Wer mit sich selbst beladen ist, denke ich, merkt das oft gar nicht. Nur in selten Momenten kommen die Fragen: warum machst du das eigentlich alles? Warum fühlst du dich so genötigt, besser zu sein? Schöner? Erfolgreicher? Warum lieferst du dich so aus an das Urteil anderer? Warum machst Du es Dir selbst so schwer? Ist das Leben nicht noch etwas ganz Anderes? Viel größer, viel umfassender? Und vor allem - ein Geschenk an dich, ganz und gar gratis?

„Gratis“, das heißt ja nichts anderes als „geschenkt“. Das weist uns darauf hin, dass wir das Entscheidende in unserem Leben nichts selbst machen können. Und auch gar nicht müssen. Durch kein Päckchen, das ich mir selbst auflade. Durch keine Last, die ich zu schultern versuche. 

Mit jedem Atemzug geht das Leben durch mich hindurch. Ganz von alleine. Mit jedem Pulsschlag, also im Durchschnitt 60 bis 80 Mal pro Minute, werde ich daran erinnert. Völlig gratis. Und manchmal stellt sich dabei eine Leichtigkeit ein, die einen abheben lässt von der eigenen Erdenschwere. 

Darauf will ich hoffen: dass es mir heute ein bisschen besser gelingt als gestern, mich „vor mir selbst zu hüten“. Vor der Last, mit der ich mich selber belade. Ich nehme mir stattdessen vor, mich dieser Leichtigkeit anzuvertrauen. Und mit ihr möglichst lange in Berührung zu bleiben.     

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