SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Traumschiff heißt der Roman, den ich gerade zu Ende gelesen habe. Er erzählt von einer nicht enden wollenden Kreuzfahrt. Und einem ganz besonderen Schiff. Darauf befinden sich außer den üblichen Passagieren 144 Personen, die wissen, dass sie das Traumschiff nicht lebendig verlassen werden.

Jeder dieser besonderen Passagiere lebt auf sein eigenes Ende hin. Zwischen Vergänglichkeit und Traum. Auf dem sich endlos erstreckenden Meer der Zeit. Traumschiff forever, sozusagen!   

Ich habe ich mich gefragt, ob der Autor mit diesem Traumschiff vielleicht ein Gleichnis geschaffen hat für die Menschheit und ihre Träume? Für den Traum, das Leben als nicht enden wollendes Vergnügen zu inszenieren? Für das Verlangen, dem Glück - oder was man dafür hält - um jeden Preis hinterher zu segeln?  

Ich finde bemerkenswert, dass es in der Bibel eine ganz andere Art von Träumen gibt. Es sind Träume, die den Träumenden helfen, klarer zu sehen. Tiefer in die Wirklichkeit einzudringen. Solche Träume steigern die Wachheit. Sie sagen: Was du vor Augen hast, ist nicht alles. Finde dich nicht ab damit! Da ist eine Zukunft, die noch nicht eingelöst ist. So wie es in einem Kirchentagslied heißt: „Es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen, dann gehen Gott und die Menschen Hand in Hand...“

Ich denke an die Träume, die die Propheten im Alten Testament träumen. Es sind Träume, die keine Schäume sind. Es sind erweckende Träume. Sie greifen nach einem Frieden und einer Gerechtigkeit, die erst noch kommen sollen. Denen man aber auch heute schon entgegengehen kann. 

Etwa der wunderbare Traum am Ende der Bibel, wo alles, was ich mit dem Namen Gott verbinde, keine irreale Sehnsucht mehr ist. Sondern Realität. Tränen, die nicht mehr vergossen werden müssen. Schmerzen, die keinen mehr quälen. Hunger, den keiner mehr erleidet.

Solche Träume sind wie Leuchtfeuer. Sie sorgen dafür, dass ein Schiff nicht im Kreis fährt, sondern einen Hafen findet. Sie leuchten selbst bei Nacht und Nebel und markieren die Fahrtroute. 

Mich inspirieren sie dazu, immer wieder über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Meinen Alltag auf eine Zukunft auszurichten, in der Frieden und Gerechtigkeit keine fernen Träume mehr sind. 

Und ausgeschlafen und aufgeweckt zu versuchen, jeden Tag wenigsten ein paar Schritte in diese Richtung zu gehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22004
weiterlesen...