SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es ist schon ne Weile her, aber ich muss immer wieder daran denken. Im letzten Sommerurlaub ist es mir passiert, dass ich an ein und demselben Tag zwei Geschichten gehört habe, in denen die Geldsumme 1.300,- Euro eine Rolle gespielt hat. Aber jedes Mal auf eine ganz andere Art und Weise.

Zuerst war da ein anderer Hotelgast, mit dem ich gesprochen habe. Ein junger Mann. Er hat erzählt, dass drei Frauen ihn am Vorabend in die Disko eingeladen haben. Sie haben alles bezahlt für ihn, einfach, weil sie miteinander feiern und tanzen wollten. Mit Eintritt und Getränken haben sie für ihn insgesamt 1.300,- Euro hingeblättert. Nur in der einen Nacht. Wahnsinn, das ist ja beinahe schon der Preis für einen Urlaub.

Das andere war ein Gespräch mit einem Kellner. Wir haben darüber geredet, wie das Leben ist, wenn die Saison im Winter vorbei ist. Er hat erzählt, dass er für den Januar immer einen Übergangsjob braucht. Die Saison beginnt im Februar wieder und er kann erst dann wieder Geld verdienen. Diesmal hat er einen Job in Aussicht, wo er 1.300,- Euro verdient. Und das würde ihm für einen Monat zum Überleben reichen.

1.300,- Euro. Die einen hauen’s in nur einer Nacht auf den Kopf, der andere lebt davon einen Monat. Es ist so wie es ist. Ich will weder die Reichen schlecht machen, noch die Armen stilisieren à la „Sie haben zwar nichts, sind aber vielleicht glücklicher.“ Geld ist keine Garantie für Glück.

Trotzdem haben mich die beiden Erlebnisse nachdenklich gemacht. Zum einen, weil ich sehe, wie gut ich hier Deutschland lebe. Ich habe nicht nur eine feste Anstellung und genügend Geld zum Leben. Ich muss mir darüber auch keine Sorgen machen, ob ich im Notfall eine ärztliche Versorgung bekomme. Und zu diesem Leben hier gehört, dass ich finanziell vorsorge und plane und rechne.

Ich glaube, ich kann von beiden Geschichten etwas lernen. Wenn ich nämlich zu viel am Rechnen und Planen bin, fühlt es sich so an, als ob mein Glück vom Geld abhängt. Und dass das eine Milchmädchenrechnung ist, weiß ich ja. Reichsein ist nicht gleich Glücklich sein. Was zum Glücklichsein gehört, ist für mich eher sogar Großzügigkeit und die Kunst zufrieden zu sein mit dem, was ich gerade habe.

Und das, was ich habe, kann ich eigentlich nicht mit Geld bezahlen und in Ziffern messen. Hinter dem Brot, das ich heute Abend esse, hinter der Kleidung, die ich anhabe, hinter dem Film den ich heute anschaue, steht viel mehr: Das, was viele mit ihrer Hände Arbeit leisten, mit ihrer Begabung und ihrem Herzen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21995
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