SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich habe in der Schule zwar ein bisschen Französisch gehabt, aber ich kann es nicht gut sprechen. Immerhin verstehe ich ein paar Brocken. Das hat mir geholfen, als ich letztes Mal in Frankreich im Urlaub war und einen Gottesdienst besucht habe. Dankbar habe ich also jedes Wort aufgeschnappt, das ich verstanden habe, und versucht, mir den Sinn zusammenzureimen. Ich vermute, dass ich sogar die Stelle wiedererkannt habe, die aus der Bibel vorgelesen wurde. Bei der Predigt habe ich mir dann eine Pause vom Übersetzen gegönnt. Währenddessen habe ich mir überlegt, wie das wohl bei Leuten ist, die wie ich Französisch nur ansatzweise können und außerdem vom Christentum nicht viel wissen. Und nicht nur in Frankreich: Was bekommt jemand von dem mit, was ich glaube, wenn er nur ein paar Worte aufschnappen kann?

Ich habe mit meinen schwachen Französisch-Kenntnissen in dem Gottesdienst nur ein paar Brocken mitbekommen. Quasi als Fremder. Und ich habe mir vorgestellt, wie das für Leute sein muss, denen meine Religion fremd ist. Was, wenn sie auch nur ein paar Worte aufschnappen, z.B. die, die sich am meisten wiederholen wie Vertrauen, Hoffnung und Liebe.

Und was ist dann, wenn diese Leute mich daran messen, ob ich auch so handle wie ich rede. Wie ich lebe und mit anderen umgehe. Wenn da Fremde und Andersgläubige merken könnten, dass es mir als Christ in erster Linie um die Liebe geht, das wäre schon stark. Aber darin liegt auch das Problem: Liebe ist so ein großes Wort.

Liebe gehört für mich zuerst in meinen engsten Umkreis: Lieben kann ich in meiner Partnerschaft und die Menschen in meiner Familie. Bei Freunden würde ich eigentlich schon nicht mehr von Liebe sprechen. Für Freunde will ich das Allerbeste. Ich bin ihnen wohlgesonnen und tu, was ich kann, dass es ihnen gut geht.

Aber das trifft es für mich auch bei der Liebe am besten: Liebe bedeutet, dass als ich nicht erstes an mich denke, sondern das Wohlergehen des anderen sehe. So kann ich auch meine Heimat lieben und die Fremden, vielleicht sogar meine Feinde. Und wenn andere sehen könnten, dass ich da anders bin. Das wäre stark und ohne Worte zu verstehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21993
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