SWR4 Abendgedanken

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Es gibt Worte, die verändern im Lauf der Zeit ihre Bedeutung. Zum Beispiel das Wort „Märtyrer“. Es hat für mich einen seltsamen Beigeschmack bekommen. Wenn in den Nachrichten bei uns von Selbstmordattentätern die Rede ist, geht es meistens um Leute, die sich selbst als Märtyrer sehen. Für mich sind es schlichtweg Terroristen. Mit einer Bombe am Körper töten sie andere und sich selbst. Und wenn sie das aus religiöser Überzeugung machen, dann gelten sie bei ihren Glaubensanhängern als Märtyrer.

Wenn einer ein Märtyrer ist, geht es aber nicht darum, dass er jemanden tötet oder getötet wird. Das Wort heißt übersetzt „Zeuge“. Ein Märtyrer im Religiösen ist also einfach jemand, der seinen Glauben bezeugt. Dazu muss man nicht zwingend sterben. Klar, auch innerhalb der Kirche sind Märtyrer Menschen, die für ihren Glauben verfolgt und meistens getötet wurden. Zum Beispiel mein Namenspatron, der Heilige Stephanus. Er ist am Ende gesteinigt worden. Sein Zeugnis besteht aber nicht in seinem Mut zu sterben, sondern wie er zum Leben steht – als Christ. Das Sterben gehört gar nicht notwendig dazu, ein Märtyrer zu sein. Die Christen haben Martyrium in den ersten Jahrhunderten wohl in diesem Sinne verstanden. Als Glaubenszeugnis. Sie haben nicht nur die Leute als Märtyrer geehrt, die gestorben sind. Es gab nämlich auch Leute, die die Folter überlebt haben und dabei ihrer Hoffnung treu geblieben sind. Ich finde so eine Haltung nicht weniger stark, sondern bewundernswert.

Bei Stephanus wird sein Glaube an zwei Punkten deutlich: Zum einen verzeiht er seinen Mördern. Im Sterben bittet er Gott sogar für sie, dass er ihnen ihre Sünde nicht anrechnen soll, also den Mord. Das finde ich stark. Ich weiß nicht, ob ich da umkippen würde. Aber er hält an seinem Glauben fest und dazu gehört gerade die Überzeugung, dass die Liebe stärker ist als der Tod und dass Gott Sünden verzeiht. Wenn man das nachliest, klingt es überhaupt nicht fanatisch, sondern voller Hoffnung.

Und diese Hoffnung gehört zum zweiten Punkt, der mich bei Stephanus anspricht. Er sagt vor seinem Tod, dass er den Himmel offen sieht und Jesus an der Seite Gottes. Obwohl bei ihm ja gerade alles schief läuft und er auch denken könnte, dass Gott ihn verlassen hat: Er bleibt dabei, dass das, was er hofft gerade jetzt gilt und sich bewährt. Er vertraut darauf, dass der Tod nichts daran ändert, dass der Himmel für ihn offen ist und dass letzten Endes alles in der Hand Jesu ist. An der Seite des Gottes, der selbst Mördern noch verzeihen kann. Unglaublich, aber es macht Mut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21992
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