SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

In schweren Zeiten hilft es, wenn man singen kann. Lieder können einen umstimmen. Von Moll nach Dur. Ich bewundere die Menschen, die das können: Sich selber wieder Mut machen mit Liedern und Musik. Und noch mehr bewundere ich die, die solche Lieder und solche Musik schaffen können.

Zum Beispiel Paul Gerhardt, ein Pfarrer aus Sachsen. Er hat in der Zeit des 30jährigen Krieges gelebt. Vor beinahe 400 Jahren hat dieser Krieg begonnen. Und Paul Gerhardt hat in den folgenden 30 Jahren mehrmals erlebt, wie Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht wurden, die ihm wichtig waren. Und nach den Soldaten kamen Krankheiten und Hungersnot. Ganze Dörfer wurden ausgerottet.

Und trotzdem brachte Paul Gerhardt es fertig, in diesen Zeiten Gedichte und Lieder zu schreiben. Das allein finde ich schon erstaunlich. Noch mehr staune ich darüber, dass seine Gedichte nicht verzweifelt klingen. Im Gegenteil, Paul Gerhard spricht von dem, was ihm Hoffnung macht. Er bekennt, dass er auf Gott vertraut, trotz allem. Und er lobt Gott, weil der ihm Kraft gibt zum Aushalten und zum Durchhalten..

Manches von dem, was er formuliert hat, würde ich heute nicht so sagen können. Aber singen kann ich das. Und ich singe es gern.

Das ist so ähnlich wie bei Liebesliedern: Manche Worte bekommt man kaum über die Lippen, aber man kann sie singen, laut und freudig. Und dann wirken diese Lieder auf mich zurück. Sie wirken in mich hinein. Paul Gerhardts Lieder danken Gott für all das Gute im Leben – trotz allem. Das Gute, das übersieht man ja leicht. Paul Gerhards Lieder öffnen mir dafür die Augen. Wenn ich seine Verse singe, dann geht das nicht spurlos an mir vorüber. Sie helfen mir, Lob und Dank in mein Leben hinein zu singen.

Paul Gerhardts Texte haben die Fähigkeit, meine Gedanken zu weiten. Ich kann mich von ihnen mitnehmen lassen in eine neue Sicht auf die Welt und mein Leben. Und dann verändern sie meine Stimmung.
Wenn ich besonders entmutigt bin, hat ein Text von Paul Gerhardt Mut für mich. Zum Beispiel dieser:

Ist Gott für mich,
so trete gleich alles hinter mich.

So oft ich ruf und bete,
weicht alles hinter sich.

Hab ich das Haupt zum Freunde
und bin geliebt bei Gott,

was kann mir tun der Feinde
und Widersacher Rott?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21988
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