SWR3 Gedanken

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„Ich verzeihe dir“ – Vorarbeiten zum Frieden

„Ich verzeihe dir.“ Nicht einfach, sowas zu sagen. Wenn man verletzt worden ist oder schlimmes Unrecht erfahren hat. „Ich verzeihe dir.“

Aber wenn man das sagen kann, wird es immer leichter. Nicht nur für den, dem man verzeiht. Auch für einen selber.

„Ich verzeihe dir.“ Damit rückt man kein Unrecht wieder grade, nichts wird ungeschehen. Aber man bekommt sowas wie Frieden. Frieden im Herzen. Und auch Frieden in der großen Politik. Mahatma Gandhi wusste das, Martin Luther King. Und Uwe Holmer.

Uwe Holmer war Pfarrer in Lobetal, Brandenburg. Er leitete die Hoffnungsthaler Anstalten. Diese Anstalten waren gegründet worden, um Obdachlosen Unterkunft zu geben. Und eines Tages kamen zwei sehr bekannte Menschen zu ihm.

Es war im Jahr 1990. Die Mauer war gefallen. Alle lagen sich jubelnd in den Armen, Frieden für alle schien möglich. Nur einem sollte das Glück, der Frieden nicht gelten: Erich Honecker und dessen Frau Margot. Die beiden wussten nicht, wohin, die Angst vor der aufgebrachten Bevölkerung war groß. Sie waren von heute auf morgen im wahrsten Sinne des Wortes obdachlos geworden, keiner wollte sie mehr. Also nahm Pfarrer Holmer sie auf.

Gerade er: Christen waren nicht sonderlich geschätzt in der DDR, Pfarrer wurden bespitzelt und schikaniert. Trotzdem nimmt Holmer das Ehepaar Honecker auf, gibt ihnen ein Dach über dem Kopf, verzichtet darauf, für sich selber Gerechtigkeit und Genugtuung zu bekommen.

„Ich verzeihe dir.“ Manchmal sieht das so aus, dass man dazu über den eigenen Schatten springen muss und auf Wiedergutmachung verzichtet. Aber ich glaube: Nur so gelingt Frieden. Im Großen wie im Kleinen.

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