SWR2 Wort zum Tag

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Wann haben Sie das letzte Mal jemanden gelobt? Nicht nur beiläufig oder aus pädagogischen Gründen – sondern richtig von Herzen?

Und: wann sind Sie das letzte Mal gelobt worden? Nicht nur auf die schwäbische Art, wo es heißt, dass nicht geschimpft genug gelobt ist – sondern wirklich ausdrücklich?

 „Na ja, wofür denn auch“, mag jetzt der eine oder die andere von Ihnen denken. „So etwas Besonderes habe ich in letzter Zeit ja nicht geleistet, dass es ein Lob wert gewesen wäre.“ Oder vielleicht sind Sie sowieso der Meinung, es wird heutzutage zu schnell gelobt – aber keiner traut sich mehr zu kritisieren, wo etwas schief läuft.

Manchmal habe ich das auch schon gedacht. Aber neulich habe ich einen Abschnitt aus einer Predigt des Theologen Eberhard Jüngel gelesen, die mich auf eine ganz andere Spur gebracht hat. Für Jüngel hat das Loben ganz grundlegend mit dem christlichen Glauben zu tun. Und zwar nicht nur das Lob des Menschen für Gott, um das es ja in der Kirche oft geht. Sondern auch das Lob Gottes für den Menschen – und das Lob der Menschen untereinander. Dabei weiß auch Jüngel und schickt es seinen Überlegungen in der Predigt ganz bewusst voran: Man kann „gewiss nicht alles loben, was ein Mensch tut. Vieles muss auch getadelt werden.“

Doch trotzdem oder gerade deswegen sagt Jüngel: „…der Mensch will und soll nicht nur für das gelobt werden, was er tut. Er will und soll auch dafür gelobt werden, dass er da ist.“ Genau das ist für Jüngel der Kern der christlichen Botschaft:

„Ein jeder Mensch“, so schreibt er,  „hat ein Recht darauf, auch unabhängig von allen seinen Taten einfach um seiner selbst willen eine anerkannte Person zu sein. Denn dazu hat Christus uns angenommen, dass wir nicht wegen unserer mehr oder weniger lobenswerten, sondern trotz unserer ganz und gar tadelnswerten Taten vor Gott ein für allemal anerkannte Personen sind. Das ist unsere Menschenwürde. Und deshalb verdient ein jeder von uns einfach dafür, dass er da ist, zumindest ein wenig gelobt zu werden.“ (Eberhard Jüngel, Predigten, zit. nach Friedrich Schorlemmer (Hg.), Das soll Dir bleiben, Stuttgart 2012, S. 75).

Ich bin, Sie sind lobenswert – einfach weil wir da sind. So ein Lob von anderen zu bekommen, tut gut. Und es macht Mut, es auch anderen weiterzugeben. Und ich glaube: Auf dieser Grundlage ist es dann auch einfacher, das zu kritisieren, was tatsächlich tadelnswert ist, ohne andere Menschen zu verletzen.

Jeder von uns verdient es gelobt zu werden, einfach dafür, dass er da ist. Vielleicht ergibt sich ja schon heute die Gelegenheit, einen anderen auf diese Weise zu loben. Es ihm oder ihr ganz ausdrücklich zu sagen: Es ist gut, dass Du da bist!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21964
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