SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ich bin auf eine Feier eingeladen. Außer dem Gastgeber kenne ich keinen Menschen. Dafür kennen sich alle anderen. Es ist ein mühsamer Abend. Niemand ist unhöflich oder unfreundlich, aber irgendwie werde ich auch mit niemandem warm. Es geht um Themen, bei denen ich mich nicht auskenne, und um Leute, die mir nichts sagen. Irgendwann gehe ich und bin froh, dass zu Hause Menschen auf mich warten, bei denen ich mich nicht so fremd fühle.

Salih ist Syrer. Seit einigen Monaten lebt er in unserer Stadt. Eines Tages kommt er in den Gottesdienst, sitzt im hinteren Drittel, am Ausgang gebe ich ihm die Hand. Er lächelt und geht. Und ich denke in diesem Moment an jene Feier und an meine Fremdheit. Wie es sich anfühlt, wenn man keinen Menschen kennt und auch niemand wirklich Interesse zeigt. Ich gehe Salih nach und frage ihn, ob er am nächsten Sonntag wiederkommt. Und das tut er.

Mittlerweile kommt er regelmäßig. Und längst wird er herzlich begrüßt, viele kennen seine Geschichte. Die Geschichte einer Flucht, einer verlorenen Heimat. Er zeigt das Foto von seiner Schwester, die noch in Syrien ist und gerade ein Baby bekommen hat. Er erzählt von seinem Alltag in Deutschland, wo er sich oft noch immer so fremd fühlt. Und einer klopft ihm auf die Schulter, als wolle er sagen: Aber bei uns doch nicht.

Tausende von Menschen sind derzeit fremd in unserem Land. Sie brauchen Nahrung, Wohnung und Arbeit. Aber das allein reicht nicht. Salih und alle anderen brauchen Menschen, die sich für sie interessieren und ihnen helfen, sich hier zu Hause zu fühlen. Denn dann erst werden aus Fremden wirklich Freunde.

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