SWR3 Gedanken

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Maulend stand meine kleine Freundin Jana vor mir: „Wenn meiner Mama kalt ist, muss ich die Jacke anziehen...!“ Widerstrebend zog sie die Jacke dann doch über und ich muss mich sehr zusammen nehmen, um nicht zu lachen.
Mittlerweile ist das in unserem Freundeskreis ein geflügeltes Wort geworden.
„Wenn meiner Mama kalt ist, muss ich die Jacke anziehen...!“... und jeder weiß sofort, wenn der Spruch kommt: „Ok, du bist mal wieder übers Ziel hinaus geschossen, du hast wieder versucht, jemandem was überzustülpen, was er gar nicht will!“ Und das ist so ein blödes Gefühl! Weil man ja eigentlich Recht hat, und weil man’s ja eigentlich nur gut meint.
Immer wieder ertappe ich mich dabei. Z.B. in meiner Jugendgruppe, wenn’s ums Lernen für die Schule geht oder um Lehrstellen. Ich versuche mich dann daran zu orientieren, wie Jesus das gemacht hat. Es gibt eine Geschichte, da wird er nämlich von einem Mann gefragt: Sag mir, was soll ich machen, um in den Himmel zu kommen. Nun sollte man meinen, dass Jesus das wohl besser weiß, als jeder andere. Also zählt er ihm auf, welche Gebote er einhalten soll. Aber das weiß der junge Mann schon. Schließlich fordert Jesus ihn auf, auch noch sein Hab und Gut zu verkaufen und ihm nachzufolgen. Und da kapituliert der Mann. Das schafft er nicht. Er geht.
Und Jesus lässt ihn ziehen. Obwohl er weiß, dass der Mann damit eine riesige Chance verpasst. Jesus versucht nicht ihn, mit allen möglichen Argumenten – und natürlich mit den besten Absichten - von seinem Heil zu überzeugen. Er nimmt dessen Entscheidung ernst. Ob ihm das schwer gefallen ist? Keine Ahnung. Meistens schreibt die Bibel ja nicht viel über Gefühle. Wie auch immer: Er lässt ihn gehen. Ganz schön stark.
Ich weiß nicht, ob ich mein Gegenüber in seinen Entscheidungen immer so ernst nehmen kann. Ich befürchte ich muss mir bestimmt noch oft anhören, dass ich mal wieder jemandem eine Jacke übergestülpt habe, die der gar nicht wollte.
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