SWR3 Gedanken

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„Gibt es Gott?“ fragte mich der skeptische Vater eines Konfirmanden, der mich aus der Reserve locken wollte. Ich antwortete, wie man das von mir als anständiger Pfarrerin erwartet: „Klar gibt es Gott. Davon bin ich überzeugt“.
Ein ungläubiges, fast mitleidiges Lächeln war die Reaktion und die sinngemäße Wiedergabe eines Zitates des Kosmonauten Juri Gagarin, dass er auf seinem Flug ins All Gott nicht gesehen habe. Ich gebe zu: Wir haben es mit dem Glauben an Gott wirklich nicht leicht. Schließlich haben wir seit der Aufklärung vor über 300 Jahren gelernt: nur die Dinge sind real und wirklich, die man messen, wiegen und zählen kann – kurz: Nur was man beweisen kann, ist auch wirklich. Deshalb meint der Vater meines Konfirmanden wohl auch, der Glaube an Gott sei nichts als ein eklatanter Rückfall ins Mittelalter. Das finde ich allerdings zu kurz gedacht. Denn wenn wir nur das ernst nehmen, was man beweisen, messen, zählen kann: Was würde uns da alles entgehen? Die Liebe z.B.: Sorry, aber die kann man nicht messen oder wiegen! Oder Trauer – oder Vertrauen. Klar, der skeptische Konfirmandenvater hat in einem Punkt Recht: Es gibt nicht einen handfesten wissenschaftlich Beweis dafür, dass es Gott gibt. Aber ich frage zurück: Gibt es einen Beweis, dass es Gott nicht gibt?
Als ich Kind war, hat mir mein Vater vor dem Schlafengehen schon mal das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ gesungen. Da heißt es: „Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen – und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn!“ Danke, Matthias Claudius. Schöner kann man das kaum beschreiben, warum man auch nach der Aufklärung weiterhin glauben darf, dass es Gott gibt.
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