SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Im Auftrag unserer Kirchengemeinde besuche ich einen Mann im Altenheim. Ich gratuliere ihm zu seinem  80.Geburtstag. Er wohnt auf der Pflegestation und ist verbittert. Er glaubt, dass seine Familie sich nicht genug um ihn kümmert. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt aus seinem Leben. Als junger Mann hat er aus kleinen Anfängen ein gut florierendes Unternehmen geschaffen, das nun sein Sohn leitet. Während des Gespräches gebraucht er immer wieder die Sätze: „Wissen Sie, ich brauch mich bei niemandem zu bedanken. Ich hab mir alles selbst verdient. Im Gegenteil, ich habe eher noch den andern geholfen. Ich war immer lieber selbst der Samariter, als mir von einem andern helfen zu lassen.“

Komisch, denke ich, bei dem Wort Samariter fällt uns immer die biblische Geschichte vom barmherzigen Samariter ein (Lk 10): Ein Mann wird ausgeraubt und niedergeschlagen. Halbtot liegt er am Straßenrand. Ein Priester kommt und geht vorbei. Ein Samariter kommt und hilft. Dabei gibt es in der Bibel auch noch die Geschichte vom dankbaren Samariter, die ist nur nicht so bekannt: Jesus heilt zehn Aussätzige, aber nur einer von ihnen kommt und bedankt sich. (Lk 17) Und dieser eine ist ein Samariter.

Beides gehört zum Leben: Helfen und sich helfen lassen. Ich muss mir nicht alles selbst verdienen. Ich kann mich auch beschenken lassen und dafür dankbar sein. Die wesentlichen Dinge in meinem Leben - die Liebe meiner Partnerin, die Sorge meiner Eltern, die Zuneigung meiner Kinder, die Hilfsbereitschaft von Freunden und Nachbarn - sind sowieso geschenkt. Und deshalb ist es gut sowohl ein barmherziger als  auch ein dankbarer Samariter zu sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21903
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