SWR2 Wort zum Tag

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„Ich bin ein Sünder, den Gott angeschaut hat“ - so antwortete mutig Papst Franziskus auf die Frage, wer er sei.  Ein ganz normaler armer Schlucker also, aber einer, den Gott angeschaut hat.  Derart im wohlwollenden Blick eines anderen stehen, Gottes sogar,  das lässt  aufatmen und gibt  das Gefühl der Anerkennung und Wertschätzung. Genau das ist die Urszene, mit der Maria im Lukasevangelium ein Jubellied  anstimmt:  sie darf die sein und werden, die sie ist. Sie weiß sich von Gott angeschaut. „Er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd gesehen; denn siehe, von jetzt an werden mich selig preisen alle Geschlechter “. Wie eine Kaskade des Glücks fließt es  aus ihr heraus, als könnte sie es  selbst nicht fassen: „Es preist meine Seele die Größe des Herrn, und es frohlockt mein Geist über Gott, meinen Retter“. Ein elementares Danklied auf das Glück des Daseins im Anblick Gottes; ein Jubellied auf die Treue dessen, der uns wohlwollend im Blick hat. Der Evangelist Lukas erzählt die Szene dramatisch. Maria ist bei ihrer Tante Elisabeth auf dem Land. Beide Frauen sind schwanger, Elisabeth sechs Monate weiter in Erwartung ihres Sohnes Johannes, der einmal der Täufer sein soll. Aber alles konzentriert sich auf Maria, denn in ihr kündigt sich jener Jesus an, den die Christenheit nicht zufällig ihren Schatz nennt, ihren Christus. Also nicht nur vom normalen Mutterglück erzählt der dritte Evangelist, er bejubelt die Ankunft Jesu in der Welt, des ersehnten Retters – und Maria sieht sich gewürdigt, seine Mutter zu sein.  

In zwei Strophen singt Maria  ihren Hymnus, und seit Generationen ist es die Christenheit, die sich dieses Magnifikat zu eigen macht  Christlich glauben heißt, derart im wohlwollenden Blick Gottes stehen wie diese Maria. Die erste Strophe ist durchzogen vom Kontrast zwischen der Niedrigkeit seiner Magd und der Größe seines Erbarmens. Aus sich heraus nichtig, sieht sich Maria unendlich wichtig genommen. Sie weiß sich im liebevollen Blick Gottes. Sie weiß sich eingeladen zur Mitarbeit, zur Empfänglichkeit für Gottes Wort. Da ist nicht Abwertung des Menschen im Spiel, sondern höchste Anerkennung. Da wird der Mensch nicht geknechtet, sondern um freie Zustimmung gebeten. „Denn Großes hat er mir getan und heilig ist sein Name. Und sein Erbarmen  reicht von Geschlecht zu Geschlecht für die, die ihn lieben und fürchten“. Genau das ist es, was Papst Franziskus im Jahr der Barmherzigkeit  so nachdrücklich empfiehlt: Die  Würdigung jedes Menschen durch die Treue Gottes und sein stets entgegenkommendes Erbarmen.

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