SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Auf die Einstellung kommt es an. Das gilt auch für das Thema Flüchtlinge.
Manche sehen in diesen Menschen zuerst eine Last. Andere haben Angst vor ihnen.  

Wie wäre es, wenn wir die fremden Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, zuerst einmal als Menschen wahrnehmen? Menschen, die wie wir das Bedürfnis haben, an einem sicheren Ort zu leben. Mütter und Väter, die wie wir ihre Kinder lieben und sie vor dem Krieg retten wollen.

Wie aber kommen wir zu einer Einstellung, die mitfühlt und zuerst das wahrnimmt, was verbindet anstatt was trennt? Das macht die Begegnung.
Eine Frau hat das erlebt und mir erzählt wie das war. Irgendwie hat die Bitte sie erreicht, bei einer der syrischen Familien vorbeizuschauen. Was würde sie erwarten? Werden sie sich verständigen können?

Dann steht sie vor der Tür. Sie klingelt. Ein Mädchen öffnet. Gleich danach erscheint die Mutter in der Tür. Sie kennen die Besucherin nicht, aber sie wird herein gebeten. Die Wohnung ist geräumig, die Einrichtung praktisch. Viele kleine Blumentöpfe fallen auf, lauter Alpenveilchen. Ob die jemand besorgt hat als Willkommensgruß? 

Dann sitzen sie zusammen und versuchen mit wenigen Worten auf Englisch eine Brücke zu bauen. Die Jugendlichen gehen in die Schule, der Kleinste in den Kindergarten.  Maria, die zwölfjährige Tochter, zeigt ihr Heft. Die Frau fragt, ob sie diese Schrift schon in ihrer Heimat  geschrieben hat. Nein, sagt sie, zuhause hat sie nur arabische Buchstaben gelernt. Die Frau staunt, wie leserlich das Mädchen nach vier Wochen die Vokabeln notiert hat.

Maria bringt Kaffee aus der Küche. Sie bietet ihn an. Dabei ersetzt ihr Lächeln die Frage: Möchten Sie einen Kaffee trinken? Ja, sie möchte. Kekse? Nein danke. Lange Pausen entstehen in ihrem wortarmen Gespräch, aber sie findet es kein bisschen peinlich. Sie lachen miteinander. Als die Frau geht, begleiten alle sie zur Tür. Ja, sie kommt wieder. Fast hätte sie vergessen, dass sie das erste Mal hier gewesen ist. Sie haben sich nicht gekannt, aber sie sind einander begegnet. Einfach von Mensch zu Mensch.

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